21. Juli 2011

Grosse Dolomitenrunde

Wer rastet der rostet. Gerade mal eine Woche nach dem Ironman Austria war ich ca. 250 Kilometer weiter westlich im Nachbarland Italien schon beim nächsten Rennen am Start.
Neoprenanzug und Laufschuhe konnte ich allerdings zuhause lassen und auch ein Zeitfahrrad wäre hier fehl am Platze gewesen: mit dem Rennrad ging es beim Maratona dles Dolomites wie der Name unschwer vermuten lässt durch die Berge Südtirols. Der Name scheint übrigens nicht wie wir ursprünglich vermutet haben italienisch zu sein, sondern ist wohl Ladinisch - eine romanische Sprache der Region. Der Radmarathon ist mit 138 Kilometern zwar nicht aussergewöhnlich lang, da aber unterwegs knapp 4200 Höhenmeter und 8 Dolomitenpässe zu bewältigen sind, wird das Rennen trotzdem als Marathon bezeichnet - im Radsport gibt es keine so strengen Regelungen bzgl. des Begriffs wie im Laufsport. Dreh- und Angelpunkt ist Alta Badia bzw. genauer gesagt die Orte St. Leonhard (Registrierung und Messe), La Villa (Start) und Corvara (Ziel). Neben der langen Runde werden auch noch 2 kürzere Strecken angeboten. Die Strecke muss man sich als eine querliegende "8" vorstellen. Die erste Schleife ist die bekannte als die Sellaronda und führt von über den Passo Campolongo, Pordoijoch, Sellajoch und Grödnerjoch rund um den Sella Gebirgsblock zurück nach Corvara. Während die kurze Runde jetzt nach 55 Kilometern im Ziel, müssen alle, die eine längere Strecke fahren wollen, ein weiteres Mal über den Passo Campolongo nach Arabba. Dahinter kommt dann die Gabelung für die beiden längeren Strecken. Der Marathon wartet mit dem Passo Giau auf bevor es dann über Passo Falzarego und Passo Valparola zurück nach Corvara geht. Da alle gleichzeitig starten kann man sich unterwegs je nach Verfassung und Laune für eine der Streckenvarianten entscheiden. Die Strecke ist weitgehend für den Autoverkehr gesperrt.

Für mich ging es an diesem Tag um nichts. Ich konnte eine Woche nach dem Ironman von mir nicht zu viel erwarten und wollte in erster Linie Spass haben. Das Wetter spielte mit und war nahezu optimal. Schon an den Tagen vor dem Rennen erkundeten wir auf unseren Rennrädern Teile der Strecke. Nach wochenlangem Training auf dem Zeitfahrrad war der Wechsel auf das Rennrad für mich ein kleiner Weltenunterschied - während das Zeitfahrrad kompromisslos auf Geschwindigkeit getrimmt bocksteif jeden Schlag der Fahrbahn an den Fahrer weitergibt, ist die Sitzposition auf dem Rennrad deutlich gemässigter und das Rad ist wesentlich komfortabler, so wird auch nicht jede Fahrbahnrille direkt nach oben weitergegeben. Start des Rennens war dann Sonntag morgens um 6:30 Uhr. Ich startete mit meinen Kollegen und Freunden aus dem letzten der vier Startblöcke. Wir verloren uns schon im Anfangsgetümmel, bevor wir die Startlinie überrollt hatten. Allerdings war sowieso geplant, dass jeder für sich fuhr. Besonders ich wollte mich nicht unter Druck setzen lassen und locker mitrollen. Das war auch ganz gut so, die ersten Kilometer und Pässe war von hier hinten nicht wirklich daran zu denken ein Rennen zu fahren - zu voll und somit auch zu gefährlich war es. Beim mir rollte es überraschend gut. Ohne grosse Anstrengung kurbelte ich um den gigantischen Sellablock herum. Hinter jeden Passübergang wartete eine gut ausgestattete Verpflegungsstelle, doch ich setze ohne Pause meine Fahrt fort, hatte ich doch selbst genügend für die ersten Kilometer dabei. Erst am Grödnerjoch hatte ich den Eindruck, dass das Getümmel langsam etwas nachliess. Zurück in Corvara die Sellaronda hinter mir hatte ich auch noch immer keine Verpflegung aufgesucht und noch immer kam ich mir nicht sonderlich angestrengt vor.
Den Passo Campolongo ein zweites Mal hochfahrend machte ich etwas mehr Tempo. Vielleicht konnte ich noch meinen einen Kollegen einholen, den ich ähnlich stark einschätze und den ich im Startgetümmel nach vorne verloren hatte? Was ich am Passo noch nicht wusste war, dass ich meinen Kollegen schon längst hinter mir gelassen hatte. Vermutlich hatte er an einer Verpflegung Stopp gemacht und ich war vorbeigerollt. Oben auf dem Passo Campolongo füllte nun aber auch ich die Flaschen auf und genoss erstmals die reichhaltige Verpflegung, Dann nahm ich endlich das Rennen auf. Auf den Abfahrten hatte ich mich inzwischen eingefahren und fuhr nun deutlich sicherer. Im Tal machte ich mit einen anderen Fahrern Tempo und sprang von Gruppe zu Gruppe immer weiter vor. Dann ging es den Passo Giau hoch. Ein paar Vereinskameraden hatte mich vor dem Berg gewarnt und sie hatten recht. War bis hierhin für mich alles noch Spass und eine schöne Sonntagsausfahrt, so verlangte diese Auffahrt nun alles von uns ab. Ohne Verschnaufpause sind hier auf knapp 10 Kilometern 920 Höhenmeter mit einer durchschnittlichen Steigung von 9,4% zu meistern (im Maximum 14%). Und als ob dem nicht genug war, es war auch heisser geworden. Nicht nur ich musste nun kämpfen: war bis hierhin im Feld durch Unterhaltungen oder sogar Telefonate (meist einiger Italiener) immer ein gewisser Geräuschpegel vorhanden, so redete jetzt am Passo Giau fast keiner mehr. Eine endlose Schlange Radfahrer kletterte wortlos die Serpentinen hinauf. Irgendwann überholten mich 2 Krankenwagen. Einer der Fahrer fragte unterwegs den ein oder anderen Radfahrer, ob denn noch alles in Ordnung wäre. Wenige Kehren weiter traf ich den Wagen wieder: ein Radfahrer war abgestiegen und musste sich übergeben. Andere erholten sich im Schatten. Wieder andere füllten ihre Flaschen an einem Brunnen auf. Ich hatte meine Flachen noch ausreichend gefüllt, um bis zum Gipfel zu kommen. Absteigen wollte ich nicht, da es ja immer noch relativ steil war und ausserdem hätten volle Flaschen nur unnötiges Zusatzgewicht bedeutet. Meine Taktik ging auf und ich kam nach endlos scheinendem Kampf auch irgendwann oben an. Dort gönnte ich mir zum zweiten Mal eine Verpflegung und genoss noch etwas das herrliche Dolomitenpanorama. Das "Dach des Marathon" war geschafft, was folgte sollte nur im Gegensatz dazu ein Kinderspiel werden. Die letzten beiden Pässe - eigentlich war es nur noch ein längerer Anstieg - schaffte ich wieder ohne grössere Anstrengung. Unterwegs kam ich mit einem anderen deutschen Radler ins Gespräch, das lenkte auch etwas ab. Die Abfahrt war dann herrlich .. herrlich lang. Verdrängt hatte ich, dass es von der Talsohle in La Villa wieder etwas hoch nach Corvara ging. Morgens war das im grossen Feld und ausgeruht kein Problem, aber nun war es doch anstrengend. Ich suchte mir Mitfahrer und hängte mich in deren Windschatten. Nach rund siebeneinhalb Stunden fuhr ich dann ins Ziel in Corvara - ein landschaftlich schöner und bis dahin gut organisierter, war nun beendet. Spass hat es gemacht! 

Die gute Orga war im Zielort leider auch beendet: im Zielareal herrschte nur noch Chaos. Ich hätte mir gerne noch etwas zu essen geholt, aber bei dem hier herrschenden Chaos machte ich mich lieber hungrig auf den Heimweg. Das war leider nicht so einfach, weil die Strasse zurück zum Appartment immer noch durch den Radmarathon gesperrt war. Die letzten Kilometer führten mich dann wieder aufwärts gen Passo Valparolo. Zu meiner Überraschung waren inzwischen offenbar dort einige Strassen für den Strassenverkehr geöffnet worden. Wo ich noch vor kurzem im Affenzahn runtergeheizt war, mussten sie die Radler nun an und zwischen Autos vorbeischlängeln - sie taten mir leid. Hätte ich mehr Stopps an Verpflegungsstellen gemacht, müsste ich jetzt auch hier durch. Diese Nachwettkampferlebnisse waren dann aber auch die einzigen Wehrmutstropfen. Eine schöne Veranstaltung, die ich gerne mal irgendwann mitmachen würde, falls ich wieder einen den begehrten Startplätze ergattern sollte.

17. Juli 2011

Smile when it hurts

Mein Sommerironman ist Geschichte - und wieder hat es grossen Spass gemacht. Dieses Jahr habe ich die Sache nicht ganz so ehrgeizig wie in den Vorjahren gesehen, was man schon an meiner unkonventionellen Vorbereitung mit u.a. 2 Ultraläufen in der Vorbereitung sehen kann. Das Risiko war schon da auf den Tag genau nicht mehr ganz fit zu sein, allerdings habe ich inzwischen genügend Erfahrung im Ausdauersport gesammelt, um zu wissen wie ich Be- und Entlastung ausbalancieren muss, um immer noch eine gute Leistung abzuliefern. Gleichzeitig war das ein interessantes Experiment, stellte doch gerade der Lauf im Mai eine schöne, lange Trainingseinheit dar. Wichtig war für mich dieses Jahr in erster Linie die Motivation, sowohl in der Vorbereitung wie auch beim Ironman. Den Lauf am Rennsteig wollte ich schon lange mal machen. Hatte ich ihn mir bisher immer zugunsten der Langdistanz im Sommer verkniffen, so sollte es dieses Jahr einfach mal sein. Und den Ironman in Klagenfurt wollte ich auch schon länger mal machen, allerdings bedeutet eine neue, unbekannte Strecke natürlich auch ein gewisses Risiko, wenn man auf schnelle Zeiten aus ist. Um das vorweg zu nehmen: mein Experiment ist gelungen - mit viel Spass hat es trotz des ungewöhnlichen Vorbereitungsprogramms sogar zu zwei neuen persönlichen Bestzeiten gereicht.

Die Anreise nach Klagenfurt gestaltete sich etwas schwierig. Zuerst standen wir längere Zeit vor dem Tauerntunnel, bevor die 2te Tunnelröhre offiziell eröffnet worden war. Wir durften dann nach ca. 45 Wartezeit als eines der ersten Fahrzeuge in den neueröffneten Tunnel einfahren. Den lauten Knall bei Tunneleinfahrt konnten wir nicht so richtig deuten, doch einige Kilometer später stellten wir fest, dass wir einen platten Reifen hatten. Also mal kurz den Reifen gewechselt, Hauptsache keine Probleme beim Rennen, und irgendwann kamen wir dann auch am Wörther See an. Ich konnte sogar noch die Startunterlagen abholen. An den Folgetagen schauten wir uns die Strecken an. Schwimmen im Wörther See war ein Traum: das Wasser machte einen sehr sauberen Eindruck und war wohl temperiert - vermutlich hätte man auch ohne Neoprenanzug schwimmen können. Um den See herum ein schönes Panorama aus Bergen, viel Natur, herrschaftlichen Gebäuden und Schlössern. Morgens bekam man auch als Athlet auch draussen auf dem See auf einem Boot des Ironman-Veranstalters einen kleinen Espresso. Die Radstrecke stellte sich als deutlich hügeliger heraus, als wir erwartet hatten. Richtig flache Abschnitte gibt es selten, es gilt sich die Körner gut einzuteilen. Dafür wird einem aber auch ein schöner Panorama-Mix aus Seen- und Bergpanoramen sowie einigen ländlichen Abschnitten geboten. Für mich persönlich ist es eine der schönsten Ironman-Radstrecken, die ich bisher gefahren bin. Die Laufstrecke schauten wir uns nicht mehr direkt an, allerdings lernte ich die innerstädtischen Abschnitte etwas auf meinen abendlichen Trainingsläufen kennen. Die Organisation rund um die Veranstaltung wirkte sehr professionell, allerdings stellt es auch für viele Athleten eine gewisse logistische Herausforderung dar, da sich fast alles rund um das Strandbad am See abspielte, viele Athleten aber eher weiter weg in einem der Klagenfurter Hotels im Zentrum oder in einer Herberge im Umland untergebracht waren; ein Auto vor Ort war also auf jeden Fall hilfreich und einen Parkplatz zu finden war auch nicht immer ganz einfach.

Raceday. Mein Hotel hatte sich gut auf die Athleten eingestellt und bot morgens um 4:30 Uhr alles was das Athletenherz begehrt. Danach nochmal das Rad in der Wechselzone durchgecheckt und dann ging es schon gen Seeufer. Im Zelt für die Umkleide sorgten die hektischen Durchsagen bei mir für eine gewisse Nervosität, deshalb beeilte ich mich, dass ich schnell raus zum See kam. Der Einstieg in den See erfolgte auf dem Sand im Strandbad - recht und links von uns zwei lange Stege in den See hinaus voll besetzt mit Zuschauern, Fotografen, anderen Medienvertretern und Offiziellen.

Wörther See
Das Schwimmen sollte mit einem Wasserstart beginnen. Tatsächlich wurden die Agegrouper aber so spät erst ins Wasser gelassen, dass man vom Schwimmen an die Startlinie direkt ohne Pause ins Wettkampftempo übergehen konnte. Eigentlich sehr angenehm, so war das Gedrängel zu Beginn nicht ganz so schlimm. Das Startsignal nahm ich leider nicht wahr, aber ich merkte es an der Reaktion der anderen Schwimmer, dass es wohl los ging. Leider war ich zu dem Zeitpunkt noch nicht so weit vorne an der Startlinie wie es eigentlich angebracht gewesen wäre. Bis zur ersten Boje lief es ganz gut. Dahinter wurde es etwas schwieriger mit der Orientierung, die zweite Boje konnte man nur schlecht sehen was wohl bei einigen Leuten dazu führte, dass sie zu weit nach links schwammen. Da ich am linken Rand des Feldes schwamm, war ich automatisch mit betroffen. So kam es dann auch, dass mir zwischendurch eine der Kampfrichterinnen mit ihrem Kajak in den Weg fuhr, um mich wieder etwas mehr in Richtung der zweiten Boje zu bringen. Nach dieser wurde es mit der Orientierung noch schwieriger. Es ging nun zurück zum Ufer und die noch tiefliegende Sonne schien uns direkt ins Gesicht. Ich orientierte mich an den Schwimmern vor mir. Nach 2900 Metern kamen wir dann zum Kanal. Trotz der kleineren Orientierungsschwierigkeiten hatte ich das Gefühl sehr gut geschwommen und auf persönlichem Rekordkurs zu sein. Mit zunehmender Dauer des Schwimmens hatte ich den Eindruck immer mehr Positionen gut zu machen. Auf den Abschnitt im Kanal hatte ich mich besonders gefreut, versprach er doch nahen Kontakt zum Publikum und somit gute Stimmung. Doch anstattdessen folgte der grosse Frust. Schwimmen war hier nicht mehr wirklich möglich. Das breit gezogene Feld wurde hier eng zusammengestaucht. Ein Ausweichen nach rechts oder links war genauso wenig möglich wie eine Tempoverschärfung mit einem Ausbrechen nach vorne. Ich kam mir vor wie beim Flussaufwärtsspringen der Wildlachse in Kanada oder im Karpenteich. Einige Male bekam ich Schläge ab, merkte aber auch gleichzeitig, wenn jemand meinen Fuss abbekam. Wenn ich Schwimmflügel gehabt hätte, hätte ich die Schwimmbewegungen auch einstellen können und mich mit de Masse treiben lassen können, denn nicht viel anderes machte ich jetzt auch. Ich fragte mich, wozu man eigentlich die ganze Zeit Schwimmen trainieren sollte, wenn das hier sowieso nicht durchgehend möglich war und man durch so ein Chaos von einer guten Schwimmzeit abgehalten wurde. Nach 1:06 Std. kam ich aus dem Wasser - ziemlich gefrustet, aber zumindest froh dieses Chaos hinter mir zu haben; selbst den sonst üblichen Blick zurück sparte ich mir. Den Frust musste ich erstmal verdauen und liess mir in der Wechselzone etwas mehr Zeit als geplant - ich wollte mich auf Disziplin zwei Konzentrieren, denn die würde heute sicher für mich am anstrengendsten sein.

Zu Beginn der Radstrecke hielt ich mich zurück. Meine Strategie war eine vorsichtig aber doch zügige gefahrene Runde 1 und dann auf Runde 2 Tempo zu machen. Das Rennen in Österreich ist auch dafür bekannt, dass es hier immer wieder grössere Gruppen geben soll, die illegalerweise gemeinsam über die Strecke fahren. Darauf wollte ich mich nicht einlassen, weil das nicht meine Auffassung vom Sport ist und auch eine Zeitstrafe wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Runde 1 machte Spass - es lief nicht schlecht und die Gruppenfahrerei der anderen hielt sich nicht zuletzt aufgrund der Kampfrichterpräsenz in Grenzen. Nur an den steileren Anstiegen hatte ich irgendwie das Gefühl mit schwer zu tun und hätte gerne noch ein Kettenritzel zum Schalten gehabt. Vielleicht hätte ich mir doch eine neue Schaltung oder ein neues Rad leisten sollen, mit meinem 9fach Kettenblatt hinten hatten sie mich schon letztes Jahr in Lanzarote komisch angeschaut, wo einige doch schon mit 11fach unterwegs sind. Doch in Annahme, die Radstrecke wäre relativ flach, sparte ich mir diese Neuanschaffung. Trotzdem verlief meine erste Radrunde soweit nach Plan. Selbst die beiden grösseren Anstiege kam ich noch relativ gut hoch. Zu Beginn der zweiten Runde fing dann mein Magen an zu rumoren. Das zog meine Motivation und folglich auch meine Leistung erstmal in den Keller, noch zu präsent waren meine Probleme bei den letzten beiden Langdistanzen. Ich versuchte Ruhe zu bewahren und so gut es eben ging der Situation Herr zu werden. Die Magenprobleme bekam ich dann auch relativ schnell wieder in den Griff, nur meine Leistung wollte nicht mehr zurück auf das Niveau von Runde 1. Am ersten der beiden grösseren Anstiege am Faaker See hatte ich grosse Probleme die Kurbel rum und die Strasse hoch zu kommen. Das einzig aufbauende war in diesem Moment, dass es den anderen um mich herum offensichtlich ähnlich erging. Auf der Abfahrt versuchte ich mich so gut es ging mit Essen und Trinken zu versorgen und bereitete mich innerlich auf ein kleines Debakel am letzten Rupertiberg vor: in Gedanken baute sich vor mir ein nahezu unüberwindbarer Berg auf. Der Weg dorthin zog sich - ich hatte zugegebenermassen etwas Furcht vor dem Scheitern an dem Berg, aber ich wollte nun auch den Kampf aufnehmen und dieses Monster besiegen. Nach viel zu vielen Hügeln türmte sich das Ungetüm dann vor mir auf. Wie an einer Perlenkette aufgereiht krabbelten die Radfahrer sehr langsam am Fusse des Anstiegs empor und verschwanden dann nach Kurzem im Wald. Ich kämpfte, versuchte so effizient wie möglich zu treten, um nicht zusätzliche Kraft zu verschwenden - kleinster Gang. Möglichst gerader Weg - keine Umwege oder unnötigen Schlänker. Und nur nicht zu langsam werden, denn dann schmerzt jede Umdrehung nochmal mehr. Ich wusste, dass es hinter dem Gipfel grösstenteils nur noch bergab ging, also Zähne zusammenbeissen - ausruhen kann man danach. Irgendwie schaffte ich es, das Monster hatte mich nicht besiegt! Eigentlich ein Witz, woanders hätte mich dieser Anstieg kaum gestört, doch heute auf Runde 2 war sie ein echter Scharfrichter. Jetzt ging es gen Klagenfurt und zweiter Wechselzone. Offenbar war ich immer noch frischer als einige meiner Begleiter. Denn inzwischen hatte sich eine kleine Gruppe zusammen gefunden, die nun doch halbwegs regelkonform nahe beinander fuhr. Ich hatte den Eindruck, dass ich einer von wenigen in der Gruppe war, der noch mit mehr Druck fahren konnte, so landete ich häufiger nach Überholmanöver vorne und bestimmte die Pace. Ich hatte auch keine Lust in der Gruppe zu fahren, zu gross war die Gefahr dann wegen eines kurzzeitigen Regelverstosses eine Strafe zu bekommen. Die Kampfrichter kontrollierten allerdings zu diesem Zeitpunkt längst mehr so scharf wie zur Mitte des Rennens. Das war zwar auf der einen Seite ganz ok, da es hier um Feld sowieso nicht mehr um viel ging, allerdings hätte man sich bei groben Verstössen und grösseren Gruppen da doch noch ein etwas strengeres Durchgreifen gewünscht. Wie dem auch sei: nach einer frustrierenden ersten- und einer etwas ernüchternden zweiten Disziplin kam ich etwas desillusioniert in Wechselzone 2 an. Meine Radzeit war immer noch eine meiner besseren Langdistanz-Radzeiten, doch die Art und Weise wie ich in der zweiten Runde kämpfen musste, liess für den abschliessenden Marathon nichts Gutes erhoffen. Ich war eigentlich am Ende und konnte mir nicht vorstellen noch einen halbwegs akzeptablen Lauf abzuliefern. Dabei hatte ich mir gerade für die letzte Disziplin viel vorgenommen und wollte endlich mal eine Zeit abliefern, mit der ich auch mal zufrieden sein konnte. Ich kann mich noch gut dran erinnern wir mir meine letztjährige Trainerin Katja auf den Kopf zugesagt hatte, dass ich bei meinem bis dato schnellsten Langdistanz-Marathon sicher zu vorsichtig gelaufen war und da eigentlich mehr drin wäre. Der 2te Wechsel stand unter keinem so guten Stern. Schon vor dem Balken zum Absteigen hatte ich meine Schuhe ausgezogen. Als ich dann barfuss auf den Boden sprang und losrannte, hörte ich plötzlich hinter mir einen Ruf - einer meiner Radschuhe hatte sich vom Pedal gelöst und war runtergefallen. Also kurz zurück und dann weiter zum eigentlichen Wechsel. Der klappte dann eigentlich recht gut doch irgendwie verpasste ich die Zone zur Abgabe des Wechselbeutels. Ich hatte die irrige Annahme, der Beutel müsste am Rad abgelegt werden. Als ich den Fehler bemerkte, war es schon zu viel spät. Also lief ich zurück, um meinen Beutel doch noch los zu werden. Dann ging es endlich auf die Laufstrecke.

Klagenfurter Stadtzentrum
Ich hatte eigentlich nichts mehr zu verlieren und dann waren eben noch meine anderen ehrgeizigen Ziele für die letzte Disziplin, so ging ich den Marathon viel schneller an als bei allen meinen anderen bisherigen Langdistanzen. Ich würde so sicher irgendwann "platzen", aber das war mir egal - lieber mit Pauken und Trompeten untergehen und gekämpft haben als 3 deprimierende Einzelergebnisse. Der erste Teil der Strecke führte am nördlichen Seeufer entlang nach Krumpendorf. Nach und nach sammelte ich mit meinem Tempo den ein oder anderen Athleten ein, der bei der Disziplin noch locker an mir vorbeigekurbelt war. Bei Kilometer 6,5 war das äussere Ende erreicht und es ging wieder zurück gen Klagenfurt. Noch immer lief ich überraschend gut und konstant. Ich fing kurz an zu zweifeln, ob ich nicht vielleicht doch etwas Tempo rausnehmen sollte. So langsam merkte ich auch die Hitze. Da sah ich vor mir einen Satz auf den Asphalt geschrieben, der mich schmunzeln liess aber gleichzeitig auch anspornte weiterzumachen, meinen Zweifeln und dem inneren Schweinehund nicht nachzugeben: "Smile when it hurts". Wer auch immer das dort hingeschrieben hatte, der kannte sich aus und wusste genau was er da schrieb. Ich grinste und machte weiter Tempo. Zurück am Strandbad und im Europapark brachten mich die Kurven und Unterführungen kurzzeitig aus meinem Rhythmus. Doch schon am Lendkanal fand ich zu alter Stärke zurück. Der Weg war grösstenteils im Schatten, was uns natürlich etwas entgegen kam. Der Lauf machte mir sichtlich Laune und sammelte immer mehr Leute ein. Ich setzte mir kleine Zwischenziele bis wohin ich auf jeden Fall das Tempo aufrecht erhalten wollte. Im Klagenfurter Zentrum wurde der Kurs dann etwas winklig und unruhig. Nun fing auch mein Knie an zu schmerzen. Am Lindwurm, dem Wahrzeichen vom Klagenfurt, angekommen fuhr mir ein stechender Schmerz ins Knie. Musste das denn jetzt sein? Es war doch bisher so gut gelaufen .. . Ich musste kurz humpeln. Der zweite Wendepunkt war geschafft und es war nicht mehr weit zur Halbmarathonmarke. Ich machte, was ich die letzten Kilometer auch gemacht hatte: ich machte eine gute Miene und kämpfte. Zurück am Kanal waren die Schmerzen soweit zurückgegangen, dass ich fast wieder meine alte Geschwindigkeit laufen konnte. Allerdings lief ich mit aller der Hitze und den Schmerzen in einen mentalen Tunnel hinein und nahm nicht mehr so viel von meiner Umgebung war. Erst zu Halbmarathonmarke wachte ich wieder etwas auf, sie war auch eine erste echte Orientierung für mich wie ich unterwegs war. Die Zeit war zwar wie vermutet viel besser als bei allen meinen bisherigen Langdistanz-Marathons, doch leider war sie nicht ganz so gut wie erhofft. Ausserdem würde der zweite Teil sicher nicht viel einfacher werden. Kurz war ich etwas enttäuscht, aber ich versuchte das Gefühl schnell wieder zu verdrängen, denn schliesslich lagen noch 21 Kilometer vor mir. Inzwischen war den meisten Athleten die Anstrengung sichtlich anzusehen. Einige standen oder gingen. Stehenbleiben das war klar, war für mich heute kein Thema und auch an den Verpflegungsstellen versuchte ich so gut es ging zu laufen. Doch nicht immer gelang mir das. Die Kühlung und die Flüssigkeitsaufnahme waren letztendlich auch sehr wichtig. Überhaupt ging es meinem Magen im Vergleich zu den letzten beiden Ironman in Lanzarote und Cozumel recht gut - offenbar hatte ich dieses Jahr einiges besser gemacht und vertrug auch das Gereichte besser. In Krumpendorf kam ich wieder an oben erwähnten Asphaltschriftzug vorbei: mein Lächeln war jetzt nur noch gequält, aber die positive Einstellung half mir weiter zu laufen. Ich musste an Chrissie Wellingtion und Natascha Badmann denken, die ebenfalls ihre Langdistanz-Marathons meist freudestrahlend liefen. Als ich dann wieder zurück am Europapark war, tat es mir fast leid, denn nun war der schöne Abschnitt am See vorbei und ich würde ihn bis zum Ziel nicht wieder sehen. Die Boxen am LKW mit der Eigenverpflegung dröhnten mir indes brutal laut in die Ohren: Stimmung hin oder her, aber das war vielleicht doch etwas übertrieben. Vielleicht war ich in meiner aktuellen Verfassung auch etwas empfindlich geworden. Die Helfer hier taten mir aber fast ein bisschen leid, weil sie stundenlang bei diesem ohrenbetäubenden Lärm arbeiten mussten. Ich war froh, dass ich hier keine Verpflegung deponiert hatte, es immer noch so gut lief und ich hier schnell vorbeilaufen konnte. Als ich am Lendkanal angekommen war, hatte ich mein kleines mentales Tief überstanden und fand langsam wieder zu mir selbst zurück. Mein Tempo war immer noch gut. Schritt um Schritt näherte ich mich dem letzten Wendepunkt am Lindwurm, Schritt um Schritt kam ich dem Ziel näher. So langsam glaubte ich daran, dass ich ohne Einbruch durchlaufen konnte; der Mann mit dem Hammer hatte heute frei. Ich war mir auch recht sicher, dass das heute ein neuer persönlicher Rekord für die letzte Disziplin werden würde; die Frage war nur noch wie gut die Zeit werden würde. Vielleicht könnte ich sogar schneller laufen als bei meinen ersten Solo-Marathonläufen? Ich weigerte mich auf meine Gesamtzeit zu schauen und konzentrierte mich vollends auf das Laufen: der Marathonrekord war gut, ich wollte mich nicht über eine Gesamtzeit ärgern und mental wieder unterziehen, nur weil ich die Gesamtzeit schon vor dem Marathon versaut hatte. Die Schleife durch das Klagenfurter Zentrum mit ihren Kurven nervte nochmal ein bisschen. Es war voll geworden und man musste aufpassen, dass man nicht mit anderen Läufern zusammenstiess. Dann die vielen Kurven, Bordsteine und Wellen. Als ich aus dem Zentrum wieder raus war, war mir endgültig klar, dass ich meine Marathonbestzeit erreichen würde. Noch einmal achtete ich auf eine ausreichende Verpflegung, weil ich das letzte Stück konstant durchlaufen wollte, deshalb nahm ich kurz etwas raus. Dann ging es auf die letzten Kilometer zurück zum See. Mich überholte kurz nach der Verpflegung eine andere Athletin: stark lief sie und stilistisch schön - wenn ich nur auch noch so locker laufen könnte! Ich wäre gerne drangeblieben, aber das Tempo war zu hoch und irgendwie fehlte gegen Ende nun auch der Antrieb, da ich mein persönoiches Ziel mit der Bestzeit erreicht hatte und es sonst nichts mehr zu gewinnen gab. So langsam entschwand sie vor mir. Ich versuchte mein Tempo zu halten. Ein ganzes Stückchen weiter an der nächsten Verpflegung, überholte ich sie dann doch wieder. Im Gegensatz zu mir ging sie und versuchte sich zu erholen. Zirka 500 Meter später rannte sie dann wieder ähnlich schnell wie zuvor an mir vorbei. Es ging noch einmal durch eine Unterführung und da waren wir schon im Europapark, nur noch 2 Kilometer bis zum Ziel. Wieder enteilte sie mir, ich konnte oder wollte ihr Tempo wieder nicht mitgehen. Doch wenig später sah ich sie abermals am Rand stehen, offenbar musste sie nun selbst ihrem Tempo Tribut zollen. Als ich sie passierte warf ich ihr ein paar aufmunternde Worte zu, dann konzentrierte ich mich wieder meinen eigenen Lauf. Jetzt bloss nicht mehr umknicken oder mit einem der entgegen kommenden Athleten zusammenstossen. So langsam konnte ich mich auf den Zieleinlauf vorbereiten: Mütze gerichtet, Trikot gerade gezogen. Ich kam an die letzzte Weiche und bog ab zum Triathlonstadion. Der Weg dorthin - ein paar hundert Meter - sahen weiter aus als ich es mir vorgestellt hatte, doch ich flog geradezu dahin. Noch eine Linkskurve dann ging es durch das grosse Tor mit der riesigen Leinwand in den Zielkanal. Die Tribünen waren voll besetzt, ich hörte den Sprecher wie er Athleten ankündigte, die Stimmung im Publikum hätte allerdings etwas besser sein können. Also riess ich die Arme in die Höhe und gab dem Publikum zu verstehen, dass ich sie hören wollte. Es funktionierte, lauter Applaus und Rufen - selbst der Sprecher sprang darauf an und forderte das Publikum seinerseits auf zu reagieren. Dann ging es die kleine Rampe zum Zieltor hinauf: oben konnte ich meine Gesamtzeit sehen - neue Bestzeit auch gesamt - dass ich das noch geschafft habe - der Hammer!

Rückblickend betrachtet bin ich mit dem Triathlon trotz aller Probleme gerade zu Beginn relativ zufrieden. Natürlich lief bis zum abschliessenden Marathon alles eher durchwachsen, aber letztendlich legte ich mit den erreichten Zeiten in den ersten Disziplinen die Grundlage dafür, dass eine neue persönliche Bestzeit noch möglich war. Der Marathon war sicher nicht superschnell, doch es war mit Abstand der schnellste Marathon, den ich je bei einer Langdistanz gelaufen war und er war schneller als meine ersten reinen Marathonläufe. Die Zeit und das Tempo fand ich gar nicht das Entscheidende. Viel wichtiger fand ich die Art und Weise wie den Marathon gelaufen war, obwohl ich mich nach dem Radfahren physisch und psychisch schon am Ende sah. So zeigte ich mir selbst wie so ein Ironman-Marathon zu laufen war und was da trotz eines harten Radfahrens noch möglich ist, wenn man es nur wirklich will. Ich blendete die beiden vorigen Disziplinen aus und lief ohne meine sonst übliche Zurückhaltung einen vom Anfang bis ins Ziel nahezu konstanten Marathon. Das macht Mut für die Zukunft. Bei allen Disziplinen - auch beim Marathon - würde ich behaupten, dass da noch etwas mehr drin wäre, wenn es um etwas mehr ginge.

Zu der Veranstaltung an sich muss man sagen, dass sie sehr gut und professionell durchorganisiert ist. Orgateam wie auch Helfer merkt man ihre grosse Motivation an (DANKE!) und alle 3 Wettkampfstrecken gehören zu den schönsten, die man in Europa finden kann. Die Stimmung kommt zwar nicht ganz an die anderer Rennen heran, aber auch hier versteht man sich und die Athleten gut zu feiern. Der einzige wirklich negative Punkt, den es meiner Ansicht nach zu verbessern gibt, sind die Streckenmarkierungen beim Schwimmen und das Gedränge im Kanal. Mit etwas auffälligeren Bojen und einem Start mit mehreren Startgruppen, könnte man diese Kritikpunkte beheben. Vielleicht fällt dem Veranstalter auch noch etwas anderes ein. Notfalls muss man auch über eine andere Wechselzone nachdenken, selbst wenn dann der durchaus interessante Abschnitt im Kanal entfallen würde. Trotz allem muss ich sagen, dass es mir summa summarum viel Spass gemacht hat und ich mir gut vorstellen kann mal wieder in Klagenfurt zu starten.