21. Juli 2011

Grosse Dolomitenrunde

Wer rastet der rostet. Gerade mal eine Woche nach dem Ironman Austria war ich ca. 250 Kilometer weiter westlich im Nachbarland Italien schon beim nächsten Rennen am Start.
Neoprenanzug und Laufschuhe konnte ich allerdings zuhause lassen und auch ein Zeitfahrrad wäre hier fehl am Platze gewesen: mit dem Rennrad ging es beim Maratona dles Dolomites wie der Name unschwer vermuten lässt durch die Berge Südtirols. Der Name scheint übrigens nicht wie wir ursprünglich vermutet haben italienisch zu sein, sondern ist wohl Ladinisch - eine romanische Sprache der Region. Der Radmarathon ist mit 138 Kilometern zwar nicht aussergewöhnlich lang, da aber unterwegs knapp 4200 Höhenmeter und 8 Dolomitenpässe zu bewältigen sind, wird das Rennen trotzdem als Marathon bezeichnet - im Radsport gibt es keine so strengen Regelungen bzgl. des Begriffs wie im Laufsport. Dreh- und Angelpunkt ist Alta Badia bzw. genauer gesagt die Orte St. Leonhard (Registrierung und Messe), La Villa (Start) und Corvara (Ziel). Neben der langen Runde werden auch noch 2 kürzere Strecken angeboten. Die Strecke muss man sich als eine querliegende "8" vorstellen. Die erste Schleife ist die bekannte als die Sellaronda und führt von über den Passo Campolongo, Pordoijoch, Sellajoch und Grödnerjoch rund um den Sella Gebirgsblock zurück nach Corvara. Während die kurze Runde jetzt nach 55 Kilometern im Ziel, müssen alle, die eine längere Strecke fahren wollen, ein weiteres Mal über den Passo Campolongo nach Arabba. Dahinter kommt dann die Gabelung für die beiden längeren Strecken. Der Marathon wartet mit dem Passo Giau auf bevor es dann über Passo Falzarego und Passo Valparola zurück nach Corvara geht. Da alle gleichzeitig starten kann man sich unterwegs je nach Verfassung und Laune für eine der Streckenvarianten entscheiden. Die Strecke ist weitgehend für den Autoverkehr gesperrt.

Für mich ging es an diesem Tag um nichts. Ich konnte eine Woche nach dem Ironman von mir nicht zu viel erwarten und wollte in erster Linie Spass haben. Das Wetter spielte mit und war nahezu optimal. Schon an den Tagen vor dem Rennen erkundeten wir auf unseren Rennrädern Teile der Strecke. Nach wochenlangem Training auf dem Zeitfahrrad war der Wechsel auf das Rennrad für mich ein kleiner Weltenunterschied - während das Zeitfahrrad kompromisslos auf Geschwindigkeit getrimmt bocksteif jeden Schlag der Fahrbahn an den Fahrer weitergibt, ist die Sitzposition auf dem Rennrad deutlich gemässigter und das Rad ist wesentlich komfortabler, so wird auch nicht jede Fahrbahnrille direkt nach oben weitergegeben. Start des Rennens war dann Sonntag morgens um 6:30 Uhr. Ich startete mit meinen Kollegen und Freunden aus dem letzten der vier Startblöcke. Wir verloren uns schon im Anfangsgetümmel, bevor wir die Startlinie überrollt hatten. Allerdings war sowieso geplant, dass jeder für sich fuhr. Besonders ich wollte mich nicht unter Druck setzen lassen und locker mitrollen. Das war auch ganz gut so, die ersten Kilometer und Pässe war von hier hinten nicht wirklich daran zu denken ein Rennen zu fahren - zu voll und somit auch zu gefährlich war es. Beim mir rollte es überraschend gut. Ohne grosse Anstrengung kurbelte ich um den gigantischen Sellablock herum. Hinter jeden Passübergang wartete eine gut ausgestattete Verpflegungsstelle, doch ich setze ohne Pause meine Fahrt fort, hatte ich doch selbst genügend für die ersten Kilometer dabei. Erst am Grödnerjoch hatte ich den Eindruck, dass das Getümmel langsam etwas nachliess. Zurück in Corvara die Sellaronda hinter mir hatte ich auch noch immer keine Verpflegung aufgesucht und noch immer kam ich mir nicht sonderlich angestrengt vor.
Den Passo Campolongo ein zweites Mal hochfahrend machte ich etwas mehr Tempo. Vielleicht konnte ich noch meinen einen Kollegen einholen, den ich ähnlich stark einschätze und den ich im Startgetümmel nach vorne verloren hatte? Was ich am Passo noch nicht wusste war, dass ich meinen Kollegen schon längst hinter mir gelassen hatte. Vermutlich hatte er an einer Verpflegung Stopp gemacht und ich war vorbeigerollt. Oben auf dem Passo Campolongo füllte nun aber auch ich die Flaschen auf und genoss erstmals die reichhaltige Verpflegung, Dann nahm ich endlich das Rennen auf. Auf den Abfahrten hatte ich mich inzwischen eingefahren und fuhr nun deutlich sicherer. Im Tal machte ich mit einen anderen Fahrern Tempo und sprang von Gruppe zu Gruppe immer weiter vor. Dann ging es den Passo Giau hoch. Ein paar Vereinskameraden hatte mich vor dem Berg gewarnt und sie hatten recht. War bis hierhin für mich alles noch Spass und eine schöne Sonntagsausfahrt, so verlangte diese Auffahrt nun alles von uns ab. Ohne Verschnaufpause sind hier auf knapp 10 Kilometern 920 Höhenmeter mit einer durchschnittlichen Steigung von 9,4% zu meistern (im Maximum 14%). Und als ob dem nicht genug war, es war auch heisser geworden. Nicht nur ich musste nun kämpfen: war bis hierhin im Feld durch Unterhaltungen oder sogar Telefonate (meist einiger Italiener) immer ein gewisser Geräuschpegel vorhanden, so redete jetzt am Passo Giau fast keiner mehr. Eine endlose Schlange Radfahrer kletterte wortlos die Serpentinen hinauf. Irgendwann überholten mich 2 Krankenwagen. Einer der Fahrer fragte unterwegs den ein oder anderen Radfahrer, ob denn noch alles in Ordnung wäre. Wenige Kehren weiter traf ich den Wagen wieder: ein Radfahrer war abgestiegen und musste sich übergeben. Andere erholten sich im Schatten. Wieder andere füllten ihre Flaschen an einem Brunnen auf. Ich hatte meine Flachen noch ausreichend gefüllt, um bis zum Gipfel zu kommen. Absteigen wollte ich nicht, da es ja immer noch relativ steil war und ausserdem hätten volle Flaschen nur unnötiges Zusatzgewicht bedeutet. Meine Taktik ging auf und ich kam nach endlos scheinendem Kampf auch irgendwann oben an. Dort gönnte ich mir zum zweiten Mal eine Verpflegung und genoss noch etwas das herrliche Dolomitenpanorama. Das "Dach des Marathon" war geschafft, was folgte sollte nur im Gegensatz dazu ein Kinderspiel werden. Die letzten beiden Pässe - eigentlich war es nur noch ein längerer Anstieg - schaffte ich wieder ohne grössere Anstrengung. Unterwegs kam ich mit einem anderen deutschen Radler ins Gespräch, das lenkte auch etwas ab. Die Abfahrt war dann herrlich .. herrlich lang. Verdrängt hatte ich, dass es von der Talsohle in La Villa wieder etwas hoch nach Corvara ging. Morgens war das im grossen Feld und ausgeruht kein Problem, aber nun war es doch anstrengend. Ich suchte mir Mitfahrer und hängte mich in deren Windschatten. Nach rund siebeneinhalb Stunden fuhr ich dann ins Ziel in Corvara - ein landschaftlich schöner und bis dahin gut organisierter, war nun beendet. Spass hat es gemacht! 

Die gute Orga war im Zielort leider auch beendet: im Zielareal herrschte nur noch Chaos. Ich hätte mir gerne noch etwas zu essen geholt, aber bei dem hier herrschenden Chaos machte ich mich lieber hungrig auf den Heimweg. Das war leider nicht so einfach, weil die Strasse zurück zum Appartment immer noch durch den Radmarathon gesperrt war. Die letzten Kilometer führten mich dann wieder aufwärts gen Passo Valparolo. Zu meiner Überraschung waren inzwischen offenbar dort einige Strassen für den Strassenverkehr geöffnet worden. Wo ich noch vor kurzem im Affenzahn runtergeheizt war, mussten sie die Radler nun an und zwischen Autos vorbeischlängeln - sie taten mir leid. Hätte ich mehr Stopps an Verpflegungsstellen gemacht, müsste ich jetzt auch hier durch. Diese Nachwettkampferlebnisse waren dann aber auch die einzigen Wehrmutstropfen. Eine schöne Veranstaltung, die ich gerne mal irgendwann mitmachen würde, falls ich wieder einen den begehrten Startplätze ergattern sollte.

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