11. September 2011

Traillauf in den Vogesen (mit Update)

Morgengrauen in den Vogesen
Bertold Brecht hat mal gesagt "Wer kämpft, der kann verlieren. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren". Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich die 159 Kilometer lange Strecke des L'Infernal in den Vogesen machen sollte. Nicht die Distanz machte mir Sorgen, sondern die Höhenmeter. Irgendwann musste ich dann an das besagte Motto denken und wagte dann die Anmeldung. Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: ich konnte den Lauf nicht beenden. Habe ich deshalb verloren? Ja, wenn man es vom Resultat her betrachtet schon. Aber ich bin um einige Erfahrungen reicher, habe einen tollen Lauf kennengelernt und eine schöne Landschaft gesehen. So weh mir das Ausscheiden - das erste bei einem Lauf überhaupt - tut, so hätte ich etwas verpasst, wenn ich nicht gestartet wäre. So ärgert mich fast noch mehr, dass ich nicht auch den Rest der Strecke kennengelernt habe.

Kurz vor dem Start lernte ich Gerhard kennen. Er war neben mir anscheinend der einzige Deutsche, der sich zu diesem Lauf gewagt hatte. Wie ich aus unserem Gespräch erfuhr, verfügte er schon über reichlich Ultratrailerfahrung. Auf meine vorsichtigen Aussagen bzgl. meines zu erwartenden Ergebnisses, machte er mir Mut. Ein Satz sollte mir allerdings schneller wieder in Erinnerung kommen als ich dachte: "Du wirst irgendwann während des Lauf einen toten Punkt erreichen - den hat aber jeder mal und da musst Du drüber hinaus laufen". 

Der Start erfolgte dann um 0 Uhr. Zum Start gab es noch ein kleines Feuerwerk und ein brennender Schriftzug mit dem Namen des Laufs wurde am Hügel entzündet. Dann ging es los. In einer kleinen Schleife rannten wir durch den Ort zum Rathaus. Den Publikum nach war der ganze Ort auf den Beinen, um uns anzufeuern. Dann ging es den ersten Berg hinauf und in den Wald. Für mich eine neue Erfahrung, hatte ich doch nie zuvor einen Lauf in der Nacht gemacht. Das eher zweidimensionale Licht war sehr gewöhnungsbedürftig, doch man gewöhnte sich daran. Erschwerend kam in den tieferen Regionen Nebel dazu, der die Sicht nicht gerade verbesserte. Ich versuchte immer in einer Gruppe zu laufen, so war der Weg dann immer gut ausgeleuchtet und besser zu laufen. Hie und da kamen wir an ein paar Hotspots vorbei, an denen uns Leute anfeuerten - mitten in der tiefsten Nacht! Die Strecke verlief zu 90% im Wald. Ausser uns Läufern war kaum etwas zu hören: ein paar Mal rief ein Kauz in die Nacht und paar Fledermäuse flatterten um uns herum. Nachdem es moderat mit Wegen begonnen hatte wie ich sie auch von zuhause kannte, zogen einige Rampen das Feld gehörig auseinander. Mitunter führte die gut markierte Strecke über Hänge, die ich nie und nimmer als Weg erkannt hätte, wenn sie nicht mit Pfeilen und Flatterbänder gewesen wären. Mehr als einmal musste ich auf allen Vieren den Hang hinaufklettern. Kilometermarkierungen gab es unterwegs keine - nur eines war sicher - der Weg ist auf jeden Fall noch weit. Kurz nach 3 Uhr - ich weiss nicht der wievielte Anstieg das war - kam er dann der Punkt, den Gerhard beschrieben hatte. Der Hang wollte nicht enden. Habe ich mich jemals über den harten Anstieg beim Lauf im Allgäu zum Sonnenkopf beschwert? Das mache ich nie mehr, denn das hier war nochmal ein ganz anderes Kaliber. Ich war entkräftet und fühlte mich leer. Die Punkt kam viel zu früh! Hatte ich mir zu viel zugemutet? Das konnte es doch eigentlich noch nicht gewesen sein. Die zurückgelegten Kilometer waren noch ein Witz. Irgendwas musste ich tun. Vor dem Lauf hatte ich mich nochmal zu einem vollwertigen Trailläufer ausgestattet. Ein Laufrucksack mit etwas mehr Stauraum als bei meinem alten. Und, das sollte in diesem Moment meine Rettung sein, mit zwei Stöcken. Diese hatte ich bis zu diesem Moment auf meinem Rucksack getragen. Nun war mir aber alles egal. Ich holte sie vom Rucksack, stütze mich kurz auf ihnen auf während ich etwas ass und trank, dann setze ich die Kletterpartie fort. Vielleicht konnten mir die Stöcke ja helfen diesen Hang hoch zu kommen und dabei etwas Kraft zu sparen. Das Gute ist, jeder Berg hat ein Ende und so kam auch ich irgendwann oben an. Und wenn meine Vermutung richtig war, war ich auch immer noch ganz gut im Feld platziert. Ich wusste zwar nicht wie ich diese Strecke schaffen sollte, wenn es so weitergehen würde, doch das hier sollte noch nicht das Ende sein. Die nächste Verpflegung nutzte ich ausgiebig und die Ruhe tat mir gut. Danach lief es bei mir wieder besser. Zwar schmerzten meine Fußsohlen und hie und da meldeten sich auch meine Beine, doch das konnte ich erfolgreich ignorieren; wie zu erwarten waren die Schmerzen in den Beinen immer nach kurzer Zeit wieder verschwunden.
Frühnebel in den Tälern
So langsam konnte ich diesen Lauf auch wieder geniessen. Die Stöcke halfen mir deutlich mit der Strecke sowohl bergauf wie auch bergab besser zurecht zu kommen; ich hatte das insgesamt kraftsparender unterwegs zu sein. Unterdessen hatte ich den Eindruck, dass sich der Nebel in die Täler zurück zog. So hatten wir oben auf den Bergen, eine wesentlich bessere Sicht auf den Weg und nach oben einen tollen Ausblick auf das Firmament. Mir erschien das Funkeln der Sterne heute heller als sonst - unzählige kleine und grosseheiss. Kurz kamen Erinnerungen an den Lauf im Allgäu hoch. Ich tat was ich bei solchen Wettkämpfen immer tat: ich achtete auf eine ausreichende Versorgung, trank regelmässig und versuchte so gut es ging im Schatten zu laufen.
Zeugnis der Vergangenheit
Dann kam irgendwann ein Abstieg, der es in sich hatte - es müsste am Moyement gewesen sein. Es ging direkt einen steilen Abhang hinunter. Wieder einer dieser Wege, die ich schon als Wanderer ungern nehmen würde. Dieser Abschnitt muss meinen sowieso schon geschundenen Sehnen und Bändern dann den Rest gegeben haben, denn danach hatte ich besonders bei den weiteren Bergabpassagen Schwierigkeiten bei leichter Kippbewegung des rechten Fusses - ein falsche Bewegung und ein Höllenschmerz durchfuhr mich. An rennen war nicht mehr zu denken. Bisher hatte ich alle Schmerzen erfolgreich ignoriert, doch dieses Mal war das Zeichen des Körpers nicht mehr zu überhören. Auf dem Piquante Pierre erfuhr ich, dass ich immer noch ganz ordentlich platziert war, doch als ich hinunter nicht mehr richtig laufen konnte, war meine Entscheidung klar - dies würde der erste Lauf meines Lebens sein, den ich nicht beenden würde. Auf dem Abstieg überholte ich sogar noch gehend einen anderen Läufer, der offensichtlich auch grosse Schwierigkeiten hatte - es war ziemlich eindeutig, dass auch eher an der nächsten Station aufgeben würde. An der Station angekommen traf ich auf einen weiteren Abbrecher und es sollten an dieser Station auch noch mehr folgen. Nach einiger Zeit kam ein Arzt und untersuchte meinen Fuss. Die Diagnose war so wie ich es verstand gar nicht schlecht: es wäre nichts schlimmes, meine Bänder wären noch in Ordnung und ich könne versuchen weiter zu laufen, er würde mir allerdings dazu abraten. Die Schmerzen beim Auftreten waren akut und nochmal ca. 80 bis 90 Kilometer mit so einem Schmerz weiterzumachen hätte für mich nichts mehr mit Spass und Sport zu tun gehabt. Wenn die Gesamtstrecke zwischen 90 und 100 Kilometern gewesen wäre, wäre ich vermutlich trotz Schmerzen weiter und hätte den Lauf gehend beendet. Aber diese Distanz war mit den Schmerzen dann doch zu viel und wer weiss, was ich mir dadurch alles kaputt gemacht hätte.

Meine Entscheidung bereue ich auch einen Tag danach nicht. Dem Fuss geht es inzwischen wieder besser, er war gestern vermutlich einfach überreizt. Meinen deutschen Mitstreiter traf ich übrigens an der Verpflegung, an der ich ausstieg, wieder. Er bestätigte mich darin, dass der Anteil schwieriger Trails hier aussergewöhnlich hoch wäre. Und dass das nur etwas Leute mit Sehnen und Bändern wäre, die solche Wege schon eher gewöhnt wären. Meine Sehnen waren das zumindest nicht und im Odenwald kenne ich auch keine vergleichbaren Wege, um das mal zu trainieren. In Zukunft werde ich solche Wettkämpfe ohne adäquate Vorbereitung also lieber meiden. Und last but not least: ich habe ungefähr 75 Kilometer dieses harten, kräftezehrenden Laufes geschafft! Dafür habe ich zwar keine Urkunde oder Medaille bekommen, aber hey .. das war eine starke Leistung auf die ich auch ein kleines bisschen stolz sein kann.

Update: inzwischen hat auch Gerhard seinen Bericht vom Lauf online gestellt. Im Gegensatz zu mir hat er es mit seiner Lauferfahrung und ohne Verletzung ins Ziel geschafft und auch noch eine gute Platzierung erreicht. Jeden seiner Eindrücke vom Lauf kann ich absolut bestätigen.

Keine Kommentare: