1. Juli 2013

Von hungrigen Uhus und unsichtbaren Murmeltieren

Nur 5 Wochen nach dem Ironman Lanzarote stand am vergangenen Wochenende auf ganz anderem Terrain mein zweites Saisonhighlight auf dem Programm: der Zugspitz Ultratrail – 100 Kilometer um Deutschlands höchsten Berg mit 5420 Höhenmetern. In der kurzen Zeit seines Bestehens hat sich dieses Rennen zu einem der herausragenden Rennen im Europäischen Trailrunning-Kalender gemausert und wird schon als etwas leichtere Variante des Ultratrail du Mont Blanc angesehen. Für mich sollte es genau dafür die Generalprobe werden – mir war klar: nur wenn ich an der Zugspitze bestehen würde, würde ein Start am Mont Blanc überhaupt Sinn machen. Natürlich war die Regenerations- und Vorbereitungszeit nach dem Triathlon im Mai mit 5 Wochen sehr kurz, ich hielt das aber für machbar, zumal ich auch Trailläufe in mein Training vor dem Ironman integrierte. Die Woche vor dem Lauf brachte ich mit nicht zu langen Wanderungen in den Alpen zu - nicht ungewöhnlich in Trailläuferkreisen. Zumindest konnte ich mich so schon auf das entsprechende Terrain einstellen. Anreise nach Grainau war dann am Freitag. Die Akkreditierung war schnell erledigt. Als nächstes Stand ein kurzer Besuch der Messe mit anschliessendem Teamtreffen meines Trailrunning-Teams auf dem Programm. Dann ging es zur Wettkampfbesprechung mit der Pasta-Party. Das Zelt war inzwischen voll besetzt und es war schwer noch einen Platz zu finden. Der Ablauf des Briefings war ähnlich dem des letztjährigen Transalpine-Runs. Nachdem ich bisher die Ruhe selbst war, kam in mir nach dem Runterbeten des Reglements mit Pflichtausrüstung und Besprechung der Wettkampfstrecke mit allen Gefahrenstellen und Sicherheitshinweisen doch eine gewisse Nervosität auf. Ich versuchte ruhig zu bleiben, denn schliesslich war das alles für mich nichts Neues, doch irgendwann hielt ich es nicht mehr auf meinem Platz aus und verliess noch vor dem offiziellen Ende nach den wichtigsten Informationen das Briefing, um zuhause meine Sachen vorzubereiten und den Rucksack zu packen – über einige Sachen meiner morgen mitgeführten Ausrüstung musste ich mir nochmal Gedanken machen: nehme ich ein GPS-Gerät mit abgespeichertem Track zusätzlich zu den Karten mit? Bekomme ich alles in den bewährten kleineren Rucksack oder brauche ich den grösseren? Brauche ich eine zusätzliche Flasche? Laufe ich nur mit der dünnen Regenjacke oder packe ich auch die dickere Shell-Jacke ein? Fragen über Fragen. Irgendwann waren die Antworten gefunden und ich kann schon mal vorwegnehmen, dass ich mit der Ausrüstungswahl auch nach dem Rennen ganz zufrieden war. Die Nacht war trotzdem recht unruhig und ich wachte immer wieder auf. Offenbar war ich nicht der Einzige, der nicht so richtig Schlaf fand: nachts um 3 wurde ich von einem Duschgeräusch geweckt – wohl noch ein weiterer Läufer, der keinen Schlaf fand. Wenigstens war es dann nicht mehr so schwer gegen 5 Uhr aufzustehen und zu frühstücken. Um viertel vor 7 stand ich schon im Startbereich: da vor dem Rennen die Ausrüstung jedes einzelnen Teilnehmers kontrolliert wurde, wollte ich das frühzeitig erledigt haben und mich keinem zusätzlichen Stress mit eventuellem Umpacken oder fehlenden Gegenständen aussetzen. Nachdem ich dann endlich vor dem Start- und Zieltor stand wich die Aufregung langsam der Vorfreude auf das Rennen. Es folgte nochmal ein letztes kurzes Briefing mit letzten Informationen zur Wetterlage und Strecke, dann ging es pünktlich mit einem fliegenden Start los. 

Aus Grainau heraus was es noch eher unspektakulär. Lange Zeit liefen wir auf technisch nicht sonderlich anspruchsvollen Wald- und Wanderwegen. Mir lag die Strecke zwar und ich arbeitete mich immer weiter nach vorne, doch schliesslich war ich hier her gekommen, um auch das Laufen in hochalpinem Gelände zu trainieren. Doch um es zu Beginn nicht allzu einfach zu machen, ging es bald die ersten Rampen hinauf – von der Anlage her mussten das im Winter rote oder schwarze Skipisten sein – technisch einfach, aber ordentlich Steigungsprozente – an Laufen war hier kaum noch zu denken. Die 10-Kilometermarke passierte ich trotz der Höhenmeter nach knapp über eine Stunde – wow, wenn das so weitergeht ..! Wir überquerten dann irgendwo im Wald die Staatsgrenze nach Österreich. Ausser einem kleinen Schild und kurz darauf der obligatorischen Willkommens-SMS wies nichts darauf hin, dass wir uns nun in einem anderen Land befanden. Prompt kam nach einigen Kilometern von 2 anderen offenbar nicht ganz so aufmerksamen Läufern hinter mir die Frage, ob wir denn schon über die Grenze wären? So langsam arbeiteten wir uns nach oben. Die Wolken und der Nebel um uns wurden dichter, hie und da gab es auch mal einen kleinen Nieselregen, doch von richtigen Schauern oder Gewittern sollten wir in Folge verschont bleiben. Mit zunehmender Höhe wurden die Wege immer anspruchsvoller und technischer. Mitunter musste man aufpassen, dass man nicht in den Bau eines Murmeltiers trat. Ab und zu konnte man ein paar von ihnen pfeifen hören. Inzwischen tauchten auch die ersten Schneefelder auf. Ich konnte nur hoffen, dass die neuen Schuhe auf Schnee genügend Grip hatten. Die erste Prüfung folgte bald. Krönung des Laufens im Schnee war sicher ein Schneefeld, auf dem wir mehrere hundert Meter einen steileren Hang hinunter rutschen mussten. Über 2.000 Meter war die Sicht mitunter im niedrigen zweistelligen Bereich. Das beunruhigte mich nicht weiter, kannte ich es schon vom Ultratrail am Petit Ballon im Frühjahr. Es war nur schade, dass man von der tollen Landschaft drumherum hier nicht viel mitbekam.
Kurz vor dem Mannigjöchl, dem höchsten Punkt der Strecke, kamen mir 2 Gestalten aus dem Nebel entgegen. Die Stimme des hinteren war mir wohl bekannt – einer meiner Vereinskameraden aus dem Triathlonverein offenbar nichts ahnend von dem Lauf bei einer Wanderung. Doch ausser für ein kurzes „Hallo“ reichte die Zeit nicht, denn hinter mir kamen aus dem Nebel auf dem schmalen Weg schon die Nächsten hinauf. Vielleicht war der Nebel hier oben gar nicht so schlecht, wer weiss wie es hier oben wäre, wenn die Sonne gnadenlos herunter brennen würde? Auf den verblockten, schweren Wegen hielt ich mich zurück und achtete auf Sicherheit, Ziel war nur heil anzukommen – ein Test für den UTMB -, eine gute Platzierung konnte ich so kurz nach dem Ironman sowieso nicht erzielen. Doch trotz aller Vorsicht passierte hinter dem Feldernjöchl das offenbar Unvermeidliche: eine Unachtsamkeit und ich fand mich unvermittelt auf dem Boden wieder. Ein stechender Schmerz fuhr mir durch den Körper. Mir war sofort klar, dass der Sturz nicht ganz harmlos war. Ich konnte zwar wieder selbstständig aufstehen und weiterlaufen. Doch offensichtlich hatte ich einige grössere Schürfwunden davongetragen. Es dauerte nicht lange, dann war mein ganzer linker Unterarm bis zur Hand rot. Meine Hose war ebenfalls reif für den Mülleimer und vom linken Knie und Schienbein schimmerte es ebenfalls rot hinauf.
Es waren noch einige Kilometer bis zur Verpflegungsstelle an der Hämmermoosalm. An den Gesichtern der Zuschauer, die ich unterwegs traf konnte ich mitunter leichtes Entsetzen wie auch Mitleid erkennen – ich musste furchtbar aussehen. An der Verpflegung angekommen suchte ich zuerst den Sanitäter auf und liess mich in seinem Wagen verarzten. Nach ungefähr 10 Minuten waren die Wunden soweit gesäubert und versorgt. So füllte ich noch kurz meine Vorräte wieder auf und lief dann weiter. Der nächste Berg wartete: das Scharnitzjoch. Ich versuchte mich nicht über die verlorene Zeit und Platzierung zu sehr zu ärgern und den kleinen Unfall trotz brennender, aufgerissener Haut so gut es ging zu verdrängen – positives Denken war jetzt wichtig. Der folgende Anstieg zog sich. Ich versuchte mich damit zu motivieren, dass es der vorletzte 2000er war und zwischendurch einen flacheren Abschnitt gab, der sicher schon nicht so wild sein würde. Je höher wir kamen, umso schwerer, steiniger und ausgewaschener wurde der Weg. Mitunter fehlten ganze Wegabschnitte in der kargen Landschaft - sie waren durch den vielen Regen der vergangenen Wochen und Monate vermutlich weggespült worden. Erst nachdem ich das Scharnitzjoch passiert hatte, lief es bei mir dann wieder besser. Das Wetter hatte inzwischen aufgeklart und wir konnten endlich mehr von der Landschaft sehen. Ab und zu öffneten sich Wolkenlöcher und wir hatten einen schönen Blick ins Tal. Doch immer noch war Vorsicht gefragt, die Wege waren nach wie vor nicht einfach und die Sturzgefahr stets gegeben. Die Trails und die Treppen in diesem Bereich kamen mir entgegen, so machte ich sukzessive etwas verlorenen Boden gut und liess alle Begleiter hinter mir.
Als ich auf einen Weg zur Leutascher Geisterklamm einbog setzte kurze Zeit ohne ersichtlichen Grund mein GPS aus. Wie ich später erfuhr, passierte das anderen Läufern ebenso – ob es hier wirklich Geister und Kobolde gibt, die heute mit uns ihr Unwesen trieben? Am Ortseingang von Mittenwald war vom Streckenprofil her der vorläufige Tiefpunkt erreicht. Doch ganz so flach wie ich es von der Streckenstudie vor dem Rennen in Erinnerung hatte, war es die letzten Kilometer bis hier hin doch nicht. Und wie ich am ausgehängten Detailprofil sah, stand uns sogleich die nächste Rampe bevor. Sei’s drum: auf los geht’s los - weiter! Zumindest nicht mehr ganz so weit in die Höhe wie zuvor. Wir bewegten uns inzwischen wieder mehr im Wald. Vom Ort Mittenwald schallte Musik zu uns hinauf. Ansonsten gab es hier oben nichts als Bäume, Ablenkung war Fehlanzeige. Läufer, mit denen man sich hätte unterhalten können, waren auch keine in meiner Nähe. So stellte das erneute Wandern auf den steilen Wegen meine Moral ein weiteres Mal auf die Probe. Ich versuchte eine SMS in die Heimat zu schicken, dass ich jetzt dringend etwas Aufmunterung gebrauchen könnte, doch mit den schmutzigen Fingern und dem feuchten Display traf ich die Buchstaben nicht richtig. Anstatt dessen rutschte ich auf einem Stein weg und stürzte abermals. Es war nichts passiert, aber ich ärgerte mich über mich selbst: SMS-schreiben auf dem Trail – hallo?! Geht’s noch?! Jetzt aber mal zusammen gerissen und konzentriert weiter. Es folgte wieder eine kurze Bergabpassage die am Ferchensee endete. Anhand des ausgehängten Profils konnte ich sehen, dass unmittelbar der nächste kleinere Anstieg von abermals 250-300 Höhenmetern bevorstand. Zum Glück hatte ich dieses Mal einige Begleiter, so war der Aufstieg kurzweiliger und nicht ganz so mühselig. Die Zeit verging nun wieder im Flug und es ging mir besser. Erst als es auf einer schwierigen Treppe wieder bergab ging verlor sich unsere Gruppe wieder. Laufen war hier wieder schwierig: grosse Absätze, Steinblöcke und Wurzeln zwischendurch – nicht mein bevorzugter Untergrund. Ich verlor meinen wiedergewonnen Rhythmus und war schliesslich froh, als wir unten im Reintal angekommen waren. An der Verpflegung machte ich eine Bemerkung, dass ich froh war die Treppen hinter mir zu haben. Von der anderen Seite des Tisches folgte gleich die Ernüchterung: „Oh, leider werdet ihr jetzt noch einige weitere Treppen haben“. Ok, dann ist es halt so – positiv denken und weiter. Hier unten im Tal war es schon recht duster. Immer häufiger ging der Blick zur Uhr. Inzwischen war klar, dass ich es nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit ins Ziel schaffen würde – zwischendurch sah es mal recht vielversprechend aus, aber ich kannte ja die genaue Strecke nicht. 2 mal verloren in dem Halbdunkel des schmalen Tals Mitläufer die Orientierung, doch ich konnte sie beide Male zurückrufen, bevor sie sich verliefen. Eigentlich war die Strecke hervorragend ausgeschildert, doch wenn man so erschöpft ist, kann man auch eindeutige Zeichen schon mal übersehen. Als wir aus dem Reintal heraus waren, hatte es aufgeklart und wir konnten die Sonne langsam untergehen sehen. Die kahlen Bergriesen schimmerten in einem leichten Rot. Nun stand der letzte grosse Anstieg des Tages an: die Alpspitze mit ein Gipfel bei 2029 Metern. Schon bald konnte ich die Lampe auspacken. Der Weg zog sich in einem schmalen steilen Trail nach oben – fast 1100 Meter am Stück! Zuerst ging es noch ganz gut, aber als der Weg in der zunehmenden Dunkelheit nicht enden wollte und die Luft auch dünner wurde, schwanden bei mir langsam Motivation und Kräfte - ich musste zwischendurch kleinere Pausen einlegen. Aus dem dunklen Wald konnte man einen Uhu hören - für mich hörte sich sein Rufen gerade wie das eines lauernden Geiers auf seine dahinsichenden Opfer an. Zwischendurch traf ich am Wegesrand weitere Athleten, die ebenfalls entkräftet pausierten. Wenn man wenigstens ein Ziel hätte sehen können .. . Als ich den Trail dann wirklich fast geschafft hatte, kamen mir von oben Helfer entgegen und fragten mich, ob und wo ich dann unten hilfsbedürftige Athleten gesehen hatte. Ich gab ihnen kurze Infos, dann ging es weiter. An der Verpflegung bei 1600 Metern war ich selbst am Ende. Es waren noch ca. 400 Höhenmeter, aber ich wusste nicht, wie ich die noch bewältigen sollte. Ich versuchte mich zu verpflegen und darüber wieder Kraft zu bekommen, doch bevor ich mich gesammelt hatte, fing ich an zu frösteln und bekam schnell einen Schüttelfrost. In dem Treiben an der Verpflegungsstelle bemerkte das um mich herum niemand. So zog ich in aller Eile meine Softshell-Jacke aus dem Rucksack, deren Reissverschluss nach ganz oben zu und machte mich an den Aufstieg in der Hoffnung, dass mir beim folgenden Anstieg wieder warm würde. Das Frösteln liess in der Tat schnell nach. Bald konnte man oben auf dem Berg die Lichter eines Hauses sehen. Vermutlich die Bergstation, die wir zu passieren hatten. Wenigstens waren wir jetzt auf einem breiten Schotterweg. Stufen, querliegende Baumstämme und Steine hatten den Weg auf dem Trail zuvor ungleich schwerer gemacht, der breite Weg hier mit seiner gleichmässigen Beschaffenheit machte es nun deutlich einfacher. Immer häufiger wanderte mein Blick auf den Höhenmesser und ich zählte die noch verbleibenden Höhenmeter. Meter für Meter arbeitete ich mich nach oben – kamen die Lichter der Bergstation näher. Hie und da passierten andere Athleten mich mit einem etwas zügigeren Schritt bergauf, doch ich machte mir keinen Druck mehr und wartete auf den Abstieg. Oben am Haus konnte man im Schein der Lichter Liftmasten erkennen – wie einfach wäre es jetzt mit dem Lift einfach runter ins Tal zu fahren? Doch wir durften auf der anderen Bergseite eine Treppe nehmen. Wieder eine von der Sorte wie ich sie ungern laufe, zumal es etwas rutschig war und nebenan steil bergab ging. Ich zog es vor mich weiter im strammen Wanderschritt fortzubewegen, einen Sturz wollte ich hier oben im Dunkeln und in diesem Terrain nicht riskieren. Unten im Tal konnte man die Lichter von Garmisch-Partenkirchen und Grainau sehen – ein herrlicher Anblick, doch so richtig schätzen konnte ich es nicht mehr, ich wollte nur noch runter und der Weg sah von hier oben noch so weit aus. In der Tat zog sich der Weg zur nächsten Verpflegung länger als erwartet. Ich war inzwischen auch vollkommen allein mit meinen Gedanken. So langsam passten die Kilometerzahlen auch nicht mehr: laut meiner GPS-Uhr war ich schon nahe der 100-Kilometermarke doch weder war etwas von der Verpflegung zu sehen, noch schien der Ort näher zu kommen. Solche Momente nagen immer schwer an meiner Motivation: wie schön hatte das Rennen begonnen, doch jetzt wollte ich es nur noch hinter mir haben. Relativ unvermittelt tauchte hinter einem Felsen dann die Verpflegung auf. Während ich vom Gipfel kam, kamen weitere Athleten aus dem unerbittlichen Trail hinauf, der mich zuvor fertig gemacht hatte. Ich hatte Mitleid mit ihnen und war gleichzeitig froh das nun alles hinter mir zu haben. Ich hielt mich nur kurz auf, füllte noch ein letztes Mal mein Iso auf und setzte dann meinen Weg fort. An der Verpflegung warnten sie mich auf dem Trail bergab aufzupassen. Schnell merkte ich warum. Der Weg war zwar technisch nicht so schwer, es war jedoch sehr rutschig. So wie manch einer an mir vorbei lief, fragte ich mich, ob das nur ein Problem aufgrund meines Schuhprofils war. Doch andere hatten wie ich später erfuhr die gleichen Schwierigkeiten. Meine beiden Schulfreunde, die tagsüber hier gewandert waren, erzählten mir am nächsten Tag, dass sie beide auf diesem Abschnitt beide abgerutscht und gestürzt waren. Ich würde hier heute Nacht sturzfrei hinunter kommen – vielleicht halfen mir da auch meine Stöcke etwas, die mir zusätzlichen Halt gaben. Erst als ich unten im Tal angekommen war, es wieder flacher wurde und der Weg zuerst zu einem Forstweg und dann schnell zu einer Strasse wurde, konnte ich wieder vernünftig laufen. Es war inzwischen ungefähr 2 Uhr. Unten am Ortseingang erwarteten mich noch einige Zuschauer, die hier weiterhin eifrig jeden Athleten aufmunterten und anfeuerten. Nachdem ich einige hundert Meter auf der Strasse gelaufen war, hörte ich Applaus hinter mir und sah 2 weitere Lichter aus dem Wald kommen. Weit konnte es bis zum Ziel nicht mehr sein. Ich wollte mich zumindest hier jetzt nicht mehr überholen lassen. Natürlich hatten die beiden auch mich gesehen und versuchten aufzuschliessen. So entwickelte sich nochmal ein richtiges Rennen. Ich wurde schneller und schneller: unglaublich was nach 19 Stunden zu dieser fortgeschrittenen Stunde nach all den Torturen auf einmal wieder möglich war! Die Strassen waren recht leer. Nur ab und zu begegnete ich Leuten, die mich anfeuerten und offensichtlich aus dem Zielbereich kamen, was man an den Sachen erkannte, die sie mit sich herumtrugen. Dann sah ich endlich die Halle, hörte den Sprecher und bog in den Zielkanal ein. Nun nochmal alles zurecht gerückt, sicherheitshalber das Licht ausgeschaltet, damit ich die Fotografen nicht blendete und da war er schon – der Zielbogen durch den ich vor 19 Stunden hinaus auf meine lange Reise um die Zugspitze gegangen war. Als ich durch ihn schritt, war das ein Moment der unendlichen Erleichterung – ich hatte das Unmögliche geschafft – ich war 100 Kilometer und 5420 Höhenmeter um die Zugspitze gelaufen – das war irre – einfach der Hammer! 

So richtig freuen konnte ich mich in dieser Nacht und am folgenden Tag noch nicht über das Rennen. Zu tief sass die Ernüchterung über mein tiefes Loch und das Gefühl meine Grenzen dieses Mal wirklich überschritten zu haben. Erst nachdem ich alles nochmal in Ruhe Revue passieren lassen konnte, kam mir die kurze Pause von 5 Wochen seit dem Ironman im Mai wieder in den Sinn, in der ich mich nicht wirklich erholen konnte. Und so wurde mir langsam bewusst, was ich da innerhalb des letzten Monats mit diesen beiden grossen Wettkämpfen geleistet hatte. So wichen auch meine Zweifel, ob ich das weiteren Wettkampfprogramm schaffen würde, langsam einer Freude auf die kommenden Herausforderungen. Auf geht’s!

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