17. Juni 2014

Ein kleiner Sieg irgendwo im Mittelfeld

Am vergangenen Wochenende war Deutsche Meisterschaft auf der Triathlon Mitteldistanz (1,9-90,1-21,1) bei der Challenge Kraichgau. Ich war dabei und musste im Verlauf des Rennens lernen, dass sich eine längere Verletzung, die besonders eine der 3 Disziplinen betrifft, auch bei den anderen beiden nicht einfach so wegwischen lässt. Wegen einer Achillessehnenreizung hatte ich seit Mitte Januar kein Lauftraining mehr absolviert. Einzige nicht ganz schmerzfreie Ausnahme war meine Teilnahme an der Brocken Challenge Anfang Februar. Seither hatte ich nur noch Schwimmen und Radfahren können, beide Disziplinen auch nicht immer 100% schmerzfrei und auch nur mit einer gewissen Vorsicht, da ich die Heilung für das Training nicht zu sehr beeinträchtigen wollte. Trotzdem wähnte ich mich für diese beiden Disziplinen vor dem Rennen im Land der 1000 Hügel in guter Verfassung, Frage war nur: welche Strategie würde ich wählen? Volles Tempo auf den ersten beiden Disziplinen und dann aussteigen - wandern? Oder doch der Versuch eines halbwegs normalen Wettkampfs und beim Laufen durchbeissen so gut es geht? Ich entschied mich am Vorabend für letztere Variante. Am Morgen vor dem Rennen war ich innerlich unruhig: meine Form konnte ich nur ungefähr einschätzen und ein gewisses Risiko war ja schon dabei dieses Rennen überhaupt zu machen, schliesslich hatte ich zuletzt nicht mal mehr ein lockeres Lauftraining gewagt, um endlich gesund zu werden. Ich versuchte die Ruhe zu bewahren und liess mich dann auch am See vor dem Rennen von nichts aus der Fassung bringen. Der Start würde in Wellen in Abstand von einigen Minuten erfolgen, um das Feld etwas zu entzerren. Ich wurde nach Kriterien, die mir nicht bekannt waren, in die vorletzte Gruppe einsortiert. 

Nach der Starts der Profis und der ersten Altersklassenalthleten ging es dann auch für unsere Gruppe ins Wasser – nur noch weniger Minuten bis zum Start. Aus dem Boxen dröhnte „Eye of the tiger“ – für mich die Sporthymne schlechthin – genau das Richtige, um mich nochmal in die richtige Angriffsstimmung zu bringen. Die Morgensonne schien auf uns herab und der See war warm, eines Neoprenkälteschutzanzugs hätte es meines Erachtens bei dieser Temperatur nicht bedurft. Nach kurzem Einschwimmen pochte ein Pulsschlag aus dem Boxen am Ufer, dann der Anfang von „Hells Bells“ und der traditionell ohrenbetäubende Startschuss. Für die aussenstehenden Zuschauer begannt das Wasser nun vermutlich optisch an zu brodeln – so ein Schwimmstart ist nie so ganz ohne, man muss ständig auf der Hut sein und immer mit dem ein oder anderen Schlag rechnen. Auch dieses Jahr blieb ich nicht ganz verschont, doch lief es im Vergleich zu den Vorjahren weitgehend glimpflich ab. Vielleicht lag das daran, dass ich nicht immer die Ideallinie wählte, sondern mich eher am Rande des Felds aufhielt. Dafür schlug ich dort aber ein für mich recht forsches Tempo an. Weiterer Nachteil dieses Weges war, dass ich nur selten den Wasserschatten eines Vordermanns nutzen konnte, doch letztendlich wollte ich ja mich testen und nicht gewinnen. Wie im Schwimmtraining merkte ich heute meinen verletzten Fuss, doch zum Glück schmerzte er nicht zu sehr. Im Wettkampftrubel war der Schmerz auch schnell verdrängt. Nach 32:05 Minuten entstieg ich dem lauwarmen Wasser des Badesees. Die ersten Schritte das Ufer hinauf waren furchtbar – meine Sehne erschien mir auf den ersten Schritten schwach und der Körper unter meinem Gewicht wegzusacken. Ich konnte mich fangen, griff meinen Wechselbeutel und setze mich erstmal auf eine Bank, um aus den Schwimmsachen und die Radsachen zu wechseln. Denn griff ich in weniger Hektik als sonst mein Rad und machte mich auf zur 2. Disziplin – die Schritte in den Radschuhen heraus aus der Wechselzone liefen schon deutlich besser als zuvor. 

Auf dem ersten Kilometer versuchte ich langsam in meinem Rhythmus zu finden. Ich war mir nicht sicher, wie ich die 90,1 km im Wettkampftempo schaffen würde, war ich doch wegen der Verletzung zuletzt keine ganz so langen Trainingsrunden mehr gefahren. Der Wind war heute Morgen nicht ohne und es wurde wärmer - das würde so oder so eine harte Tour werden! Noch einmal überlegte ich kurz, ob ich nicht doch härter auf Anschlag fahren sollte. Doch mit der Vorstellung womöglich erst ein hartes Radfahren und danach ganz sicher nochmal einen sehr harten Halbmarathon zu haben, konnte ich mich nicht anfreunden, das Risiko auch in Hinblick auf einer Verschlimmerung meiner Verletzung schien mir zu gross. So spulte ich meine Kilometer in normalem Tempo ab und liess mich auch nicht von überholenden Radfahrern zu einem schnellerem Tempo verleiten. „Normales Tempo“ ist relativ – manch einer wäre froh, wenn er so eine schwere Strecke mit einem Schnitt von über 30 km/h fahren könnte. Ich war zufrieden und genehmigte mir nebenbei auch immer wieder mal einen Blick in die Landschaft. Zwar war die Strecke für mich nicht neu, doch irgendwie erschien es mir heute Morgen besonders schön über die Kraichgau-Hügel zu fliegen. Am Rand der Strecke immer wieder kleine Kunstwerke aus Heuballen oder Schilder zu Anfeuerung. Nun bin ich sicher kein grosser Abfahrer, doch habe ich mich in letzter Zeit um einiges verbessert. Leider bekam ich jetzt einen Nachteil meiner hinteren Startgruppe zu spüren – auf den schnelleren Abfahrten wurde ich mehrfach von vorsichtigeren Abfahren ausgebremst. Vielleicht hätte ich mit etwas mehr Risiko auch an ihnen vorbrettern können, doch nur zu gut weiss ich wie ich selbst dieses riskante Abfahren anderer Athleten hasse, so blieb ich meist hinter ihnen zurück und nahm den Zeitverlust in Kauf. Mitunter waren die Bremsmanöver für mich aber auch nicht ganz einfach – vermutlich muss ich noch etwas daran arbeiten einen guten Mittelweg finden, um solche langsameren Abfahrer doch auch mal zu überholen. Während ich in der ersten Hälfte der grossen Radrunde wie viele mit den Anstiegen zu kämpfen hatte, lief es im zweiten Teil deutlich besser. Die Anstiege hinter Menzingen und den Schindelberg flog ich im Vergleich zu meinem Mitstreitern förmlich hinauf, wobei sich das im Resultat der Bergwertung leider nicht wiederspiegelt. Ich kann mir das nur so erklären, dass zu dieser Ziel viele der schnelleren Radfahrer schon vor mir gewesen sein müssen. Auf dem letzten flachen Stück nach Östringen versuchte ich mich nochmal zu verpflegen – aus Gewohnheit weiss ich, dass auf der Laufstrecke damit mir immer etwas schwer tue. Nach 2:59:37 Stunden erreichte ich die 2. Wechselzone in Bad Schönborn.

Zielbereich einen Tag vor dem Start
Somit war die Pflicht geschafft, nun folgte der unsicherer Teil .. über ein halbes Jahr kein Lauftraining mehr und jetzt aus dem Stand ein Halbmarathon! Aber ich wollte es zumindest versuchen – einfach nur laufen, laufen und immer weiter laufen. Denn wenn ich erstmal unterwegs anfangen würde zu gehen, dann würde es schwer werden .. verdammt schwer. Zuerst musste aber mein Fuss mitspielen. Würde er das nach der kleinen Schrecksekunde heute Morgen nach dem Schwimmen? Die ersten Schritte in den Laufschuhen waren ungewohnt und unsicher. Ich versuchte halbwegs sauber zu laufen. Zu Beginn geht es erstmal leicht den Hügel runter, das kam mir entgegen, weil ich mich nicht zusätzlich anstrengen mssute und erstmal auf den Laufstil konzentrieren konnte. Der Fuss hielt. Nach dem ersten Kilometer geht es dann im Kurpark ein paar Höhenmeter hinauf. Wie tat ich mir hier schwer – und das ich als Bergläufer! Doch wo ein Berg ist, da geht es auch wieder irgendwo bergab und ich konnte mich zumindest kurzzeitig wieder fangen. So zogen sich die ersten Kilometer wie Kaugummi. Leider ist die Laufstrecke selten flach und gerade und so musste ich lernen mit den ständigen Tempo-, Profil- und Richtungswechseln zurecht zu kommen. Die Kilometerschilder am Rande waren zu Beginn recht demoralisierend, standen doch auch die Kilometerangaben für die jeweilige Stelle in den folgenden beiden Runden darauf. Diese Kilometerzahlen waren für mich gerade unvorstellbar. Doch mit der Zeit lernte ich die Schilder anders zu lesen. Irgendwann interessierten mich die anderen Zahlen nicht mehr und für mich zählte nur noch die gerade relevante Zahl – ich war also ohne Lauftraining 5 Kilometer gelaufen .. 6 Kilometer .. 9 Kilometer am Stück! .. 11! .. 15 Kilometer gelaufen ohne grosse Gehpause! .. die Zahlen wuchsen und ich näherte mich meinem Ziel. Ich war sooo dankbar für jeden gelaufenen KIlomter! Langsam wurden die Beine aber auch steifer und meine Bewegungen unrunder, doch ich versuchte den Motor am laufen zu halten. Wenn ich jetzt anfangen würde zu gehen, dann würden die letzten Kilometer unendlich lang werden. Meine Sehne spielte immer noch mit – wenn sie mitspielte, dann konnte ich jetzt nicht nachlassen. Die Laufzeit würde nicht gut werden, aber ich könnte beim Halbmarathon unter 2 Stunden bleiben und wäre ohne Training ausser an den Verpflegungen durchgehend gelaufen! Ich unterhielt mich unterwegs mit anderen Athleten, scherzte und lenkte mich ab. Ich überlegte mir sogar gegen Ende etwas zu beschleunigen und ab wo ich das wagen könnte. Dann kam das letzte Kilometerschild. So ganz konnte ich dem Schild nichg glauben – dieser letzte Kilometer müsste nach meiner Schätzung wesentlich länger als 1000m sein! Aber sei es drum – was zählte war, dass ich das fast für unmöglich geglaubte geschafft hatte und ankommen würde – laufender Weise! Kein Humpeln, keine Schmerzen in der Sehne, nur ein bisschen steife Beine. Dann der Zieleinlauf im Stadionrund. Ich versuchte die Hände der Leute an der Balustrade abzuklatschen, doch offenbar waren die Zuschauer hier heute nicht darauf eingestellt. Dann nach einem Halbmarathon in 1:57:41 Stunden der finale Schritt durch das Zieltor. Mit einer Gesamtzeit von 5:35:45 Stunden konnte ich dem Gründer der Veranstaltung die Hand schütteln und nahm die Medaille entgegen – ich war nicht wirklich fertig, aber so dankbar hier heute angekommen zu sein. Und richtig stolz auf diese Medaille, selbst wenn ich schon deutlich schneller unterwegs war. 

Etwas später beim Blick auf die nackten Zahlen meines Ergebnisses empfand ich kurz doch etwas Enttäuschung darüber, dass ich auf dem Rad und beim Schwimmen nicht noch besser gewesen war. Doch wenn man die Vorbereitung betrachtet und sieht, dass ich eben nicht voll trainieren konnte, leichte Schmerzen beim Schwimmen hatte und auch auf dem Rad vorsichtig agieren musste, dann geht das Ergebnis eigentlich voll in Ordnung. Von dem Lauf muss man nicht sprechen: das geht gesund natürlich wesentlich schneller, aber ohne Vorbereitung und immer noch angeschlagen, war das ein Hammerlauf! Von der Platzierung gesamt bin ich im Mittelfeld gelandet (869. von 1569 Männern/ 131 in M40/ 759. in der Wertung der Deutschen Meisterschaft) - was soll man sich bei solchen Rahmenbedingungen da noch beschweren? Die Organisation des Rennens war trotz einiger Wechsel im Orgateam wiedermal auf hohem Niveau. Warum der Busshuttle mich und einige andere nicht zurück an den See bringen wollte, habe ich nicht näher hinterfragt und das einfach als Auflockerung der Beine angesehen, deshalb will ich das nicht weiter kommentieren. Und ich hoffe mal, dass ich nächstes Mal wieder etwas weiter vorne starten kann und dann nicht mehr so häufig unterwegs ausgebremst werde. Der Kraichgau hat sich an diesem Tage auf jeden Fall von einer seiner schönsten Seiten gezeigt. Und der Sehne .. der geht es 2 Tage nach dem Rennen sehr gut. So wie es aussieht, kann ich bald wieder vernünftig laufen, doch jetzt bloss nichts überstürzen!

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