20. August 2009

Windiger Mythos des Radsports

Jeder der sich mit mit dem Strassenradsport und der Tour de France auskennt, hat den Namen schon mal gehört: Mont Ventoux. Doch nicht etwa grosse Steigungsprozente haben diesen Berg bekannt gemacht – da gibt es andere interessantere Ziele in den Alpen -, sondern mehr die Dramen, die sich an ihm im Laufe der Radrennen abspielten und diesen Berg zu einem „Mythos des Radsports“ (R. Geser: 100 Alpenpässe mit dem Rennrad) gemacht haben. Nebenbei ist er von geographisch wie auch topographisch günstig gelegen, so zieht er jedes Jahr immer wieder viele Radsportler in seinen Bann. Der Mont Ventoux ist mit 1912 Metern die höchste Erhebung ca. 40 km nord-östlich von Avignon in den provenzalischen Voralpen, vereinzelt wird er auch den Dauphiné-Alpen zugeordnet. Er ist 25 Kilometer lang und 8 Kilometer breit und steht als einer der letzten Ausläufer der Alpen allein auf weiter Flur, so bietet er bei günstigen Witterungsbedingungen von seinem Gipfel eine herrliche Rundumsicht.Südlich liegt die Ebene von Vaucluse und etwas weiter östlich die Gorges de la Nesque. Weiter im Südosten erstrecken sich Rhôneebene und -delta. Bei sehr gutem Wetter soll man gleichzeitig das Mittelmeer und die höchsten Gipfel der Alpen sowie der Pyrenäen sehen können.

Der Name des Berges leitet sich wahrscheinlich von „Mons Ventosus“ (lat. „Windiger Berg“) ab, eine andere Interpretation ist das altkeltische Wort „went“, was soviel wie „Berg“ bedeutet. Wegen seiner abgerodeten, kahlen Flanken und Kalkschotterfelder wurde er auch als Mont Pelé (geschälter Berg) bezeichnet. Manch müder Radfahrer, der sich verzweifelt über eine der Auffahrten durch die mondlandschaftsähnliche Stein- und Geröllwüste hochgequält hat, soll ihn auch einfach nur „Dreckhaufen“ genannt haben. Der ehemals üppige Baumbestand wurde zu Zeiten des Ancien Régime zum Bau der Seeflotten des abgeholzt. An seinen Hängen vereinigt der Mont Ventoux alle europäischen Klima- und Vegetationszonen vom Mittelmeer bis Lappland. So kann es bis in den Mai hinein auf dem Berg noch schneien und das ganze Jahr hindurch muss man mit einem starken und besonders im Sommer sehr kalt wirkenden Wind rechnen. Auf der Wetterstation am Gipfel zeichnet seit 1888 immer wieder Wetterrekorde wie Windböen um die 320 km/h und Temperaturen im Winter um -30°C.

Den Gipfel kann man über 3 verschiedene Auffahrten erklimmen: die bekannteste ist wohl die Südrampe von Bédoin, dann gibt es noch die Westrampe von Malaucène (wird manchmal auch als Nord- oder Nordwestrampe bezeichnet) und die Ostrampe von Sault. Während die Tour de France bei ihrer ersten Befahrung 1951 den Berg über die Westseite von Malaucène aus in Angriff nahm, führten alle weiteren Befahrungen dann aus Richtung Bédoin über die Südrampe hinauf. Ohne zu rasen kann man als Fahrtzeit ungefähr 2 ½ bis 3 ½ einkalkulieren, der bisherige Streckenrekord wurde im Jahr 2004 bei einem Bergzeitfahren mit knapp 56 Minuten aufgestellt.

Die Südrampe hat eine Länge von 21 km und es sind 1609 Höhenmeter zu überwinden, die durchschnittliche Steigung ist 7,5 Prozent. Schon am Start in Bédoin mit seinen okerfarbenen Häuschen kann man das Ziel sehen, die Wetterstation und verschiedene Sendeanlagen am Gipfel sind nicht zu übersehen. Und als ob das nicht genug ist, wird man regelmässig durch Schilder am Wegesrand darüber informiert, was man noch vor sich hat. Während die Steigung auf den ersten Kilometern noch relativ moderat ist, steigt der Weh hinter Saint-Estève deutlich an und beträgt in derRoland-Schlucht die nächsten acht Kilometern durchgehend mehr neun Prozent. Erst am "Chalet Reynard" hat man die Chance etwas zu verschnauffen. Hier gibt es auch einen Brunnen mit Trinkwasser, wo man die leeren Flaschen wieder auffüllen kann. An sonnigen Tagen sollte man die Chance auf jeden Fall nutzen, denn oberhalb der Baumgrenze ist Schatten in der nun folgenden Geröllwüste Fehlanzeige. Die Strasse weisst weiter gen Gipfel erst moderate fünf Prozent auf, doch nach einem Kilometer ist der Spaß wieder vorbei und es geht mit acht Prozent die letzten fünf Kilometer zur Wetterstation. Auf dem Weg dorthin kommt man etwas unterhalb des Gipfels auch an der Gedenkstätte für Tom Simpson vorbei, der bei der Tour 1967 eben an dieser Stelle kurz vor dem Ziel in Führung liegend zusammenbrach und so auch den Mythos des Mont Ventoux mit geprägt hat. Fast die komplette Südrampe wird man von Strassenmalereien aus vergangenen Radrennen auf den Ventoux begleitet.

Die Westrampe führt von Malaucène über 21 km und 1679 Höhenmeter zum Gipfel. Das kleine und typisch provenzalische Städtchen Malaucène läd mit seinen engen, verwinkelten Gassen und einer Wehrkirche aus dem 14. Jahrhundert zu einem Päuschen ein, bevor man den Berg erklimmt. Die Straße dorthin startet mit Steigungen bis zu 11%. Der Weg ist gesäumt von Pinien links und rechts des Weges. Zwischendurch wird es etwas flacher. Hinter der Skistation Mt. Serein, wird der Weg schmaler. Es folgen nochmal 6 km mit durchschnittlich 10% Steigung bis oben, ein Steigungsstück zwischendurch soll auf 1 km Länge sogar 12% haben. Ich persönlich fand diesen Aufstieg von allen 3 Auffahrten fast am schönsten. Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass man von Bédoin kommend auf der Anfahrt nach Malaucène auch über einen Col de la Madelaine fährt, dieser hat natürlich nichts mit dem berühmten Alpenpass zu tun- den Namen gibt es wohl öfters.

Die Ostrampe ab Sault ist mit 26 km die längste Anfahrt und geht über 1194 Höhenmeter. Allerdings ist sie auch die relativ leichteste der drei Auffahrten zum Gipfel. Die Steigung geht selten über 5 Prozent hinaus. Zwischendurch gibt es auch immer wieder flachere Passagen, in denen man ausruhen kann. Am "Chalet Reynard" trifft man auf die Auffahrt von der Südrampe. Die letzten Kilometer sind dann mit dieser identisch. Die Ostrampe sind wir diesmal nur hinunter gefahren. Vielleicht sollten wir diese beim nächsten Mal auch hinauffahren, dann können wir in den “Club des Cinglés du Mont-Ventoux” eintreten; Aufnahmevoraussetzung für den Club ist, dass man alle 3 Aufstiege einmal gemacht hat.

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