10. April 2007

De Ronde van Vlaanderen 2007 - als Teilnehmer

Nach 6 Tagen mit dem Rennrad auf Mallorca ging es Ostern 2007 nach Belgien, genauer gesagt nach Flandern zur gleichnamigen Rundfahrt. Dieser Radmarathon mit ungefähr 260 km Länge und etwas über 2000 Höhenmeter führt über die Originalstrecke des Profirennens mit Start in Brügge und Ziel in Ninove nahe Brüssel.
Nie zuvor war ich eine so lange Strecke mit dem Rad gefahren. Dieses "Rennen" gilt als besonders hart. Zwar sind die ersten 140 Kilometer weitgehend flach, doch danach warten viele kurze aber teils giftige Anstiege - die "Hellingen" - mit teils über 20% Steigung auf die Fahrer. Besonders häufig fallen diese mit dem Kopfsteinpflaster ("Kasseien") zusammen. Wegen dieser Kombination gilt das Rennen weithin als schwieriger als der andere etwas flachere berühmte Frühjahrsklassiker auf viel Kopfsteinpflaster Paris - Roubaix. Ich muss zugeben, dass ich vor der Teilnahme an diesem Marathon schon so einige Selbstzweifel hatte, ob ich denn so früh im Jahr so eine Strecke mit so einem solchen Schwierigkeitsgrad bestehen könnte. Die Neugierde war aber gross und ich suchte eine nach 5 Jahren mit Langdistanz-Triathlons mal wieder nach neuen Herausforderungen. Ausserdem sah ich in dem frühen Radmarathon auch die Möglichkeit an meiner Radfahrschwäche etwas zu arbeiten.
Der Start erfolgte frühmorgens auf dem Marktplatz in Brügge. Es gab keine offizielle Zeitnahme. Man besorgte sich lediglich auf der Startrampe und verschiedenen Stationen unterwegs je ein Loch auf seiner Streckenkarte als Beweis dafür, dass man die Strecke auch tatsächlich gefahren ist. Ich hatte die Ausschreibung nicht genau gelesen und erwartete trotzdem einen offiziellen Startschuss. Erst nach einigen Kilometern durch Brügge registrierte ich, dass es diesen Start wohl nicht geben werde und ich schon voll "im Rennen war". Da ich vorher mehrere Gruppen ziehen gelassen hatte und nun fast alleine fuhr, musste ich erstmal "drücken" und auf die schnelleren Gruppen wieder aufschliessen, um in ihrem Windschatten mitzufahren. Ein gutes Zeitfahrtraining für meine Triathlons im Sommer. *grins* Die ersten Überholten waren mir noch zu langsam. Erst nach ca. 30 Kilometer fand ich dann eine Gruppe, die halbwegs mein Tempo fuhr. Ein paar Spanier sorgten durch ihre Fahrweise leider etwas für Unruhe. Immer wieder rissen Lücken auf. Erst nachdem sich die Gruppe etwas verkleinert hatte und die Spanier weg waren wurde es ruhiger. Ich ruhte mich im Windschatten etwas von dem Zeitfahren zu Beginn aus; mit wenig Schlaf war ich sowieso recht müde und hatte auch noch das Radtraining von der Insel in den Beinen. Bis zur ersten Kontrollstation kamen wir dann recht schnell voran. Neben dem zweiten Loch für meine Karte, bekamen wir dort neben einem Isogetränk noch verschiede Waffeln und Kekse für die Weiterfahrt. Bei den späteren Stationen sollte es dann auch noch Obst geben. Der zweite Teilabschnitt war ähnlich dem ersten weitgehend flach. Nun zog sich die Schlange der Radfahrer recht lange durch die Strassen. Der Verkehr wurde je nach Ortschaft entweder angehalten oder alternativ mussten auch mal wir Radfahrer warten. Wir überquerten auch mehrere Bahnübergänge. In meiner Gruppe sah ich wieder einige bekannte Gesichter vom ersten Abschnitt. Leider war die Gruppe nicht mehr ganz so homogen; nach Kurven wurden immer wieder harte Antritte gefahren wie ich sie aus Respekt vor der restlichen Strecke nur bedingt mitfahren wollte. Deshalb fuhr ich dann lieber in einer der kleineren aber ruhigeren Gruppen weiter. Irgendwo beim zweiten Kopfsteinpflasterabschnitt flog mir plötzlich mein neuer Radcomputer vom Lenker. Zum Glück hing er an einem Kabel, so ging er nicht verloren. Ich hielt kurz an, um ihn wieder zu befestigen. Die Kopfsteinpflaster wurden immer häufiger und begannen an meiner Moral zu nagen. Wo es ging, versuchte ich in Mountainbikermanier auf dem harten Lehmboden am Strassenrand oder in Abflusskanäle auszuweichen, doch das war nur selten möglich. Eine optimale Linie fand ich auf dem Pflaster selten. Aber ich hatte es ja nicht anders gewollt, da musste ich jetzt durch. Dann kamen ab ungefähr Kilometer 135 die ersten Rampen. Oje ... wie konnte ich mich nur hier anmelden? Ein Vereinskamerad hatte noch kurzfristig einen Rückzieher von dem Rennen gemacht - ob ich das vielleicht auch hätte machen sollen? Nein! Die Anstiege wurden zum Glück immer mit der Länge, sowie durchschnittlicher und maximaler Steigungsprozente angekündigt, so hatte man die Möglichkeit sich noch kurz mental darauf einzustellen. Ich versuchte mir meist einzureden, dass die paar Meter ja sooo lange nicht wären. Doch mit jedem Kopfsteinpflaster sank meine Begeisterung für diesen Radmarathon. Irgendwo begegnete mir mein Vereinskamerad Dirk. Das Kopfsteinpflaster hatte bei ihm ganze Arbeit getan. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon 3 Schlauch-, einen Reifen- und einen Kettenwechsel hinter sich gebracht und war ebenfalls schwer genervt. Sein Geld, dass er mitgenommen hatte, war aufgebraucht. Geld? Hatte ich daheim gelassen - wie leichtsinnig; wenn das mal gut ging. Seinen Helm hatte er unterwegs auch irgendwo liegen lassen. Wir zogen an der kompletten Gruppe vorbei und setzen uns nach vorne in den Wind. Beim nächsten Hügel liess ich Dirk dann aber alleine weiterfahren. Ein paar Hügel später passierte dann was kommen musste. Ich hatte gerade wieder einen der ganz giftigen Anstiege erklommen und war dabei mit ein paar anderen im kleinen Abflusskanal am Strassenrand gefahren. Mein Vordermann wollte schalten, hatte damit aber offensichtlich Probleme und wurde plötzlich langsamer. Ich musste aus dem Kanal auf das Kopfsteinpflaster ausweichen, um nicht mit ihm zusammenzustossen. Mein Vorderrad rutschte auf dem glatten Stein ab und zurück in den Kanal. Ehe ich mich versah, lag ich schon auf dem Pflaster. Bei dem Sturz war ich auf den Ellbogen gefallen, der schmerzte so sehr, dass ich die Schürfwunden an Bein, Hüfte und Arm kaum bemerkte. Nach ungefähr 5 Minuten hatte ich mich wieder halbwegs gefasst. Ich kontrollierte mein Rad, zentrierte kurz mein Vorderrad neu und versuchte dann wieder weiterzurollen. Mit der Zeit erholte ich mich, ein latenter Schmerz fuhr trotzdem immer mit. Die endlosen Kopfsteinpflasterpassagen malträtierten meine Hände. Irgendwann wusste ich keine Stelle mehr, wo ich die den Lenker noch ohne Pein hätte anfassen sollen - die ständigen Schläge hatten Gelenke und Knöchel müde gemacht. Die Kilometer zogen sich. Das Wasser war mir ausgegangen und ich lechzte nach etwas Flüssigem. Fast wäre ich in den nächsten Garten gegangen, hätte ich nur irgendwo einen Wasserhahn gesehen. Dann kam endlich die letzte Verpflegung. Ich liess mir Zeit und füllte meine leeren Speicher auf. Dann setze ich den Weg fort. Es war beruhigend zu sehen, dass auch die anderen Fahrer müde waren. Kaum einer schaffte noch einen runden Tritt, die meisten versuchten nur noch zu rollen und die Kurbelbewegungen auf ein Minimum zu beschränken. Ich hoffte nur noch, dass endlich die gefürchtete Muur von Gerardsbergen käme, denn wenn ich erstmal die geschafft hätte, dann hätte ich auch das Rennen fast geschafft. Leider wusste ich nicht wie viel Kilometer noch zu fahren waren, Kilometermarken fehlten und auf meine beiden Kilometerzähler konnte ich mich nicht mehr verlassen. Meine Polar Armbanduhr hatte sich durch die ständigen Schläge auf den Lenker schon verabschiedet. Dann kam endlich irgendwann sie die Muur. Die Ankündigung hatte ich übersehen, aber schon als ich in den Hang fuhr, war mir klar, dass es soweit war. Der Anstieg lag mir und ich kam gut aufwärts. Zwischendurch wartete ein Photograph. Ich versuchte eine gute Figur zu machen, vergass aber leider dabei auf mein letztes Ritzel zu schalten. Kaum war der Photograph vorbei, konnte ich den Anstieg nicht mehr wegdrücken und musste absteigen. Da rechts und links Zuschauer standen war mir das etwas peinlich, aber beim Blick zurück sah ich, dass viele schon wesentlich früher absteigen gemusst hatten. Als es kurz wieder flach wurde, stieg ich wieder auf und fuhr weiter. Die Kapelle tauchte oben auf. Ein tolles Bild! Am liebsten hätte ich die Kamera ausgepackt und ein Bild gemacht, doch die hatte ich sicherheitshalber zuhause gelassen. Die letzten Kilometer nach Ninove rollte ich das Ziel vor Augen wieder besser. Mit einem 35er Schnitt fuhr ich an anderen Teilnehmern in die Stadt ein. Nach einigen Schwenks kam ich dann auf die Zielgerade. Die Tribünen rechts und links waren nur dünn besetzt, das würde am folgenden Tag beim Profirennen sicher anders aussehen. Ich fuhr nach knapp über 10 Stunden Fahrzeit über den Zielstrich unter dem Zielbanner hindurch und hatte die längste Strecke, die ich je gefahren hatte, hinter mich gebracht. Die Fahrt war jedoch noch nicht zu Ende. Vom Zielbereich ging es noch weiter zum Bereich mit Festzelt, Medallienausgabe etc. So kamen mit An- und Abfahrt nochmal ca. 5 km auf den Tacho. Das war aber nicht schlimm, ich fühlte mich wieder gut und hätte noch weiter fahren können - Hauptsache es gäbe kein Kopfsteinpflaster mehr ... .
Rückblickend würde ich dieses Rennen als sehr selektiv bezeichnen. Ich bin an diesem Tag wiedermal nahe an meine Grenzen gekommen - besonders wegen der Kopfsteinpflasterpassagen. Andere hatten mit diesen Abschnitten weniger Probleme, vielleicht ist das auch ein bisschen eine Kopfsache. Mein Ellbogen schmerzt auch einige Tage später noch ziemlich. Ich kann ihn zwar gut bewegen, sollte sich das aber nicht bald bessern, werde ich wohl oder übel mal einen Besuch beim Orthopäden machen müssen. Die Rundfahrt ist an sich sehr gut organisiert, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist absolut in Ordnung. Problematisch ist nur, das oft auf Radwegen gefahren werden muss, was bei 15.000 Teilnehmern mitunter recht schwierig ist.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Jetzt habe ich das mit dem Ellenbogen kapiert. Immerhin kannst du stolz sagen, daß es eine Sturzverletzung von der Flandernrundfahrt ist (was hatte ich neulich schon zu erzählen mit meinem blöden Pflaster im Gesicht: nix). Da sehe ich am Sonntag die Kopfsteinpflaster mit ganz anderen Augen!
Cheers, Britta

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