27. Juni 2007

Quelle Challenge Roth 2007

Der Quelle-Challenge Roth 2007 war für mich wieder ein unvergessliches Erlebnis. Wer mich besser kennt, der weiss vermutlich was dieser Wettkampf mir bedeutet. Den Anderen hat sich dies vielleicht im Verlauf dieses Blogs erschlossen. Auch dieses Jahr habe ich in Roth mein Leben um eine Erfahrung bereichert. Doch nicht immer müssen die Erlebnisse so sein wie man sie erwartet – das macht ein Leben so interessant. Das Ergebnis sagt anhand der Zahlen wenig aus, der Wettkampf hatte für mich eine Dramatik wie ich sie noch nie bei einem Wettkampf erlebt habe - Licht und Schatten lagen sehr nahe beinander. Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Herausforderung, die sich nur schwer in Worte fassen lässt, so was kann man eigentlich nur selbst erleben. Ich werde es trotzdem mal versuchen.

Gegen Samstag Mittag trafen wir im Triathlon-Park in Roth ein. Unser erster Weg führte uns zur Einschreibung und Abholung der Startunterlagen. Im Anschluss besuchten wir die Triathlonmesse, informierten uns über neue Produkte und kauften auch einzelne Souvenirs und Teile. Als sich unsere Gruppe nach dem Shopping wieder gefunden hatte, entschlossen wir uns dazu vor dem Anmeldezelt etwas zu essen. Dort waren Imbissbuden mit Spezialitäten aus mehreren Ländern aufgebaut, ich entschloss mich für chinesische Nudeln mit Gemüse. Im Anschluss brachten wir dann unsere Fahrräder zum Bike-Checkin in die erste Wechselzone nach Hilpoltstein. Wieder zurück besuchten wir dann abends noch die Wettkampfvorbesprechung. Bis zu diesem Zeitpunkt war bei mir noch alles ohne Probleme gelaufen. Doch als wir die Besprechung dann verliessen, fühlte ich mich irgendwie unwohl und bekam ein leichtes Kopfweh. Auf der Heimfahrt kam Übelkeit hinzu. Zuhause legte ich mich erstmal auf das Bett, ich vermutete einen leichten Sonnenstich und eine kleine Flüssigkeitsunterversorgung, obwohl eigentlich beides kaum sein konnte. Es passierte aber was kommen musste. Kurz vor dem Abendessen und der abschliessenden Pastaparty – dem vermutlich wichtigsten Essen vor dem Wettkampf – hatte ich mich von einem grossen Teil des Essens in meinem Magen entledigt. Das anschliessende Abendessen fiel zwangsläufig für mich aus und mein Magen wurde bei weiteren Besuchen der Örtlichkeiten vollends geleert. Die Erinnerung an Roth 2002 war plötzlich so präsent wie lange nicht mehr. Damals sollte der Challenge meine allererste Triathlon-Langdistanz werden, doch anstatt dessen musste ich nach kurzfristiger Krankheit meine schon eingecheckten Rad- und Laufsachen am Wettkampfmorgen wieder abholen und gesundheitsbedingt heimreisen. Die Gedanken an ein DejaVu versuchte ich so gut es ging dieses Jahr zu verdrängen und richtete so gut es noch ging meine Sachen für den Wettkampfmorgen, bevor ich mich ins Bett legte – der Morgen würde zeigen, ob ich starten könnte oder nicht. Die folgende Nacht war sehr unruhig, ich versuchte viel zu trinken und musste entsprechend häufig auch raus. Eine Besserung bemerkte ich kaum. Dann am Morgen zu vereinbarten Weckzeit gingen die ersten besorgten Blicke und Fragen meiner Begleiter und Mitstreiter zu mir: „Und?“ Ich wollte es versuchen, es musste gehen. Das Frühstück ging nur schwerlich rein, ich beschränkte mich so zwangsläufig auf das notwendige Minimum. Den Rest musste ich dann eben später während des Wettkampfes in Form von Mineraliengetränken, Energiegels, -riegeln oder anderer Verpflegung zu mir nehmen. Ich versuchte mir einzureden, dass auch trotz diesen grossen Defizits ein guter Wettkampf möglich wäre. Angekommen in der Wechselzone versuchte ich mein Rad so gewissenhaft wie möglich vorzubereiten und hoffte nur, dass ich in dem Dämmerzustand am Vortag nichts vergessen hatte – ich hatte Glück, alles war da und auch meine Schwimmsachen waren komplett. Von der tollen Stimmung im Umfeld bekam ich wegen meines Zustandes diesmal nur wenig mit. Mir schien auch der Andrang an den Toilettenhäuschen in diesem Jahr besonders gross. So schaffte ich es kurz vor dem Start ins Wasser, zum Einschwimmen hatte ich keine Zeit mehr.

Dann das Startsignal, das Wasser fing augenblicklich an zu kochen. Im Gegensatz zu den Vorjahren fing es bei mir recht gut an. Gelegentlich von den Seiten ein paar Schläge waren normal. Dann nach ca. 400 Metern ein Gefühl wie ich es in all den Jahren Triathlon noch nicht erlebt habe: ein Beklemmungsgefühl als ob ich keine Luft mehr bekommen würde. Fast panisch schwamm ich von der Mitte des Kanals an das nahe Ufer und versuchte den Reissverschluss meines Triathlon-Tops unter dem Neoprenanzug zu öffnen. Mit Wehmut schaute ich nach meinem relativ guten Start den anderen hinterher. Ich bin mir nicht sicher wie lange ich da stand: 30 Sekunden, vielleicht auch ein wenig mehr. Nachdem sich meine Aufregung gelegt hatte, versuchte ich den anderen hinterher zu schwimmen und in meinen Rhythmus zu kommen. So richtig gelingen wollte mir das nicht und auch die Kraft für einen kraftvollen Zug fehlte – Ursache war sicher die fehlende Ernährung. Ich versuchte das Beste daraus zu machen, solche Probleme waren ja schon vor dem Start abzusehen. Selten hatte ich solche Schwierigkeiten während des Schwimmens wie dieses Mal, gegen Ende hatte ich kaum noch Kraft und wirklich Schwierigkeiten noch einen halbwegs ordentlichen Zug hinzubekommen. Ob mich schon einer der Vereinskameraden aus den folgenden Gruppen überholt hatte? Mit einer Schwimmzeit von 1:06:40 hatte ich meine Zielzeit von unter 1 Stunde zwar weit verfehlt, konnte aber in Anbetracht der Umstände zufrieden sein. Für die zweite Disziplin befürchtete ich trotzdem wenig Gutes.

Die ersten Kilometer auf dem Rad versuchte ich die Ruhe zu bewahren und nicht zu schnell anzugehen. Er rollte überraschenderweise relativ gut. Sogar am ersten 10%-Anstieg, an dem ich letztes Jahr ziemlich ernüchtert meine Radschwäche feststellen musste, kam ich recht gut hinauf. Dann kamen der erste flachere Teil, mit einem Tempo knapp über 32 km/h versuchte ich es rollen zu lassen ohne dabei zu übertreiben. Leider hatte ich wieder einen sehr grossen Druck auf der Blase, der letztendlich nach 32 Kilometern zu einer ersten kurzen Zwangspause führte. Den längsten und steilsten Anstieg der Runde - den Kalvarienberg - kam ich im Anschluss dann recht ordentlich hoch. Der folgende Abschnitt ist für seine Winde bekannt, doch die waren in der ersten Runde noch nicht zu spüren und sollten erst in der zweiten Runde kommen. Nach 59,8 Kilometern merkte ich dann wie sich unter meinem Sattel etwas verschoben hatte, Ich versuchte das Problem zu ertasten: der Schlauchreifen hatte sich gelöst und baumelte jetzt mit der Satteltasche auf einer Seite. Also ein zweiter Zwangsstopp. Leider brauchte ich fast zwei Minuten bis ich den Riemen gelockert und das Problem beseitigt hatte, der Reifen verschwand in meiner Tasche. Zum Glück kam in Folge dann bald der Solarer Berg. Der Frust war augenblicklich vergessen – die Stimmung war riesig. Wie auf Flügeln flog ich den Hügel hinauf und konnte sogar einige überholen, denen der Abschnitt sichtlich mehr Probleme bereitete. Doch dann zu Beginn der zweiten Runde das nächste Missgeschick: bei einer leichten Bodenwelle löste sich der Schwamm aus meiner Lenkerflasche, so was darf normalerweise nicht passieren und so etwas ist mir auch noch nicht vorher passiert. Ich war genervt aufgrund all dieses Pechs, doch noch versuchte ich ruhig zu bleiben und überlegte wie ich die Flasche abdecken und weiter nutzen konnte. Kurzerhand klebte ich einen Energieriegel über das Loch. Der hielt auch einige Kilometer bis er bei einer weiteren Unebenheit kurzerhand in der Flasche landete. Dann musste ich eben so weiterfahren. Von nun an bekamen mein Rad, meine Radbrille und ich mit jeder weiteren Bodenwelle eine Ladung klebriges Isogetränk ab. Zudem schmeckte das Zeug mit dem Riegel ziemlich gewöhnungsbedürftig, hatte eine körnige Konsistenz und war schwer durch das Röhrchen zu saugen. Am Seligenstädter Berg ging dann nichts mehr, ich war fertig mit den Nerven und einem Zusammenbruch sehr, sehr nahe – ich hätte in diesem Moment heulen können und fuhr den Buckel nur noch langsam hoch. Selbst die Hände der Kinder konnte ich nicht mehr wie sonst üblich abklatschen, war einfach nur noch mit mir selbst beschäftigt. Rückblickend betrachtet vermute ich, dass ich hier auch die ersten Symptome eines Hungerast hatte. Auf den nächsten recht flachen Kilometern konnte ich mich mit einem relativ konstanten aber guten Tempo meine Nerven wieder etwas beruhigen, neuen Mut fassen und versuchte mir mit Gels wieder Energie zuzuführen. Nach dem Kalvarienberg wollte ich es wissen – wenn heute noch etwas „gehen“ sollte, dann musste ich langsam loslegen. Und siehe da, offensichtlich hatte ich noch mehr Reserven als viele andere, die mich in den Stunden zuvor überholt hatten, denn nun zog ich wieder an ihnen vorbei. Das Problem mit der Lenkerflasche löste ich so, dass ich sie leer liess und zukünftig nur noch aus den Flaschen an den Verpflegungsstellen trank. Bis zur zweiten Wechselzone hatte ich so nun zumindest wieder einige Plätze gutgemacht, die ich vorher verloren hatte. Es beruhigte mich kurz vor der 2.Wechselzone einen anderen Triathleten wieder zu sehen, der mit mir schon gemeinsam aus der 1.Wechselzone kam. So ganz schlecht, konnte ich also nicht gewesen sein. Auch ein Blick auf meine Uhr zeigte beim zweiten Wechsel mit 5:39 Stunden im Vergleich zum Vorjahr eine deutlich bessere Zeit.

Nun blieb nur noch der Marathon. Zu Beginn lief ich trotz des Koppeltrainings in der Vorbereitung relativ steif los; nicht sonderlich ungewöhnlich nach 180 Kilometern auf dem Rad. Das erste Viertel des Marathons lief ich trotzdem mit einem Schnitt von 5:20 Min/ Kilometer relativ zügig und war voll in meinem Soll. Auf dem Weg zum Kanal kam mir der Sieger auf dem Ende seines Marathons entgegen. Unten am Kanal traf ich dann auch auf die deutsche Damenspitze kurz vor deren Halbmarathonmarke. Ansonsten war am Kanal noch wenig los. Ich spulte meine Kilometer so runter, fühlte mich recht gut und versuchte auch immer ausreichend zu trinken. Erst in Schwanstetten als es leicht bergauf ging und mir die Temperaturen etwas zu schaffen machten, wurde ich langsamer. Ausserdem bekam ich erste Magenkrämpfe. Erst zurück am Kanal kam ich langsam wieder in meinen Rhythmus. Der Schnitt zum Halbmarathon war mit 5:45 Min/km etwas unter meinem Plan aber durch den Puffer, den ich mir herausgearbeitet hatte, war ich noch im Soll. Die Vorstellung jetzt aber nochmal einen Halbmarathon laufen zu müssen, flösste mir Respekt ein. Ich kannte die Strecke ja und wusste, dass es nochmals vor und hinter Eckersmühlen ein Stückchen leicht hoch ging. Ausserdem krampfte sich mein Magen immer häufiger zusammen. Ich war versucht stehen zu bleiben, doch mein Wille noch einen halbwegs guten Marathon zu laufen trieb mich weiter. Wie befürchtet kam aber um Kilometer 30 herum dann mein Tiefpunkt mit einem Schnitt um 6:30 min/km. Ich versuchte so viel wie möglich zu trinken. Vermutlich hätte ich auch etwas essen sollen, aber beim Blick auf die reichhaltige Essensauswahl der Verpflegungsstellen sträubte sich etwas in mir, mein Magen wollte nicht, gelegentlich hatte ich dort immer noch leichte Krämpfe. Erst ab Kilometer 36 lief ich dann einen Schnitt unter 6 Minuten. Immer häufiger begann ich zu rechnen, ob ich die 11-Stunden-Marke bei der Gesamtzeit noch erreichen konnte. Am Kanal traf ich Sarah wieder, die uns während des ganzen Wettkampfs tatkräftig unterstützt hatte und vor allem während des Radfahrens selbst von Ort zu Ort gefahren war, um uns anzufeuern. Ihrem Blick nach schien ich nicht ganz so elend auszusehen wie ich mich fühlte – ein kurzes Abklatschen, eine kurze Aufmunterung und ich wusste, es waren nicht mehr viele Kilometer – jetzt lief es wieder. Nochmals ein banger Blick auf die Uhr: noch 30 Minuten bis zur 11-Stunden-Marke und noch 5 Kilometer zu laufen. Das klang locker machbar, aber mit diesem Schnitt? Ich rechnete 1 mal, 2 mal – unter 6 Minuten pro Kilometer musste ich bleiben, dann würde ich es schaffen, es kam vor Roth aber nochmals eine kleine Steigung für die ich Puffer brauchte. Es fiel mir zwar schwer, aber noch einmal beschleunigte ich, mein Schritt wurde länger und der Stil wieder etwas sauberer. Ein letztes Aufbäumen. Mit jedem Kilometer wurde ich flotter. Dann der Anstieg vor Roth – die letzten Kilometer. Die Schritte hinauf waren schwer, von meiner Umgebung nahm ich nicht mehr viel wahr. Ob ich zeitlich noch „drin“ war? Von oben sah mich die Freundin meines Vereinskameraden Henrik, stürmte den Hügel herunter und gleich im Anschluss mit mir lautstark anfeuernd wieder hinauf – mit so einer tollen Unterstützung musste das heute einfach klappen! Ich zog den Reissverschluss meines Triathlontops für das Zielphoto nach oben. Die letzten drei Kurven dann kam der lange Zielkanal zum extra aufgebauten Triathlon-Stadion. Noch einmal versuchte ich letzte Kräfte zu mobilisieren, aber der unwiderstehliche Zielsprint war nicht mehr möglich, trotzdem glaubte ich es geschafft zu haben. Erst im Ziel der ängstliche Blick auf die Uhr .. Ernüchterung .. Enttäuschung .. ich hatte die Zielzeit knapp verfehlt: 11:00:34 Stunden. Das konnte einfach nicht wahr sein! War ich nicht schon genug gestraft? Ich suchte Gründe, verstand die Welt nicht mehr – das war einfach nicht fair. Eine Helferin kam zu mir und fragte freundlich, ob ich sanitäre Hilfe bräuchte, sie mich stützen und in das Zelt bringen solle; ich sah vermutlich furchtbar aus. Ich wollte aber nur noch alleine sein, bedankte mich und schwankte mit unsicherem Schritt alleine weiter. Noch heute hadere ich mit der Zeit und suche nach einer Erklärung, die ich aber nie finden werde.

Hier noch ein paar Zahlen.

Platzierungen:
  • 833. gesamt von 2020 Finishern,
  • 214. bei der deutschen Meisterschaft
  • 48. in meiner Altersklasse bei der DM
Einzelplatzierungen:
  • 582. Schwimmen
  • 1056. Rad
  • 856. Laufen
Errechnetes Tempo bei den einzelnen Disziplinen:
  • 3,42 km/h Schwimmen
  • 31,81 km/h Radfahren
  • 10,2 km/h Laufen
Durchschnittliche Herzfrequenz: 139 Schläge pro Minute
Laut meiner Uhr habe ich 8330 kCal verbrannt

Das Ergebnis ist natürlich recht erfreulich und gerade in Hinblick auf die besonderen Umstände fast sensationell. Trotzdem wäre wesentlich mehr möglich gewesen. Zu gerne hätte ich einmal eine Zeit gemacht, die meinen wahren Möglichkeiten entsprochen hätte, doch es sollte nicht sein. Rückblickend war es trotz allem ein toller Wettkampf: sehr gut organisiert, sehr freundliche Helfer, eine tolle Stimmung und auch das Wetter spielte mit. Für mich hatte der Wettkampf vor allem gegen Ende hin eine Spannung sondergleichen, doch auch für die Zuschauer muss besonders die Frauenkonkurrenz recht spannend gewesen sein.
Der Quelle-Challenge 2007 in Roth hat wieder mal gezeigt, dass er ein ganz besonderer Triathlon ist. Danke an alle, die zum Gelingen dieser tollen Triathlonveranstaltung beigetragen haben! Danke an alle mit denen ich dort war und einen tollen Tag hatte! Danke auch an Euch, die Ihr alle diesen Bericht und vielleicht noch andere Artikel in diesem Blog gelesen habt!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Komisch, dass sich manche Siege wie Niederlagen anfühlen. Es ist Deine beste Leistung bislang und 2008 kommt bestimmt. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass das Beste noch vor Dir liegt, sportlich und privat.

Und: Erstens warst Du bester Deines Vereines und zweitens beneiden Dich die Plätze 834 bis 2020 um Deine Leistung.

Ich denke, jeder hat gesehen, dass Du unter 11:00 Std. bleiben kannst und wenn, ja wenn mal alles gut geht...

Ich bin jedenfalls gespannt auf den Blog: Quelle Challenge Roth 2008

Grüße
Uli

Anonym hat gesagt…

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